Volltext: Deutsches Kunstleben in Rom im Zeitalter der Klassik

Carstens" 
römische 
1792- 
YVirksaankeit 
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von dieser Grösse hätte überzeugen können. Bei Carstens 
gehorehten die Hände nicht vollständig dem grossen Fluge 
des Geistes; aber sie gehorchten soweit, dass die Welt 
den Genius erkennen und die [lnvollkonnnenheit über- 
sehen konnte. Wenn man unmittelbar nach seinem Hin- 
scheiden die Mangel nicht sehen wollte oder gar für 
Vorzüge erklärte,  und wenn man heutzutage den 
Genius nicht mehr nachempfindet, so ist beides fehlerhaft; 
aber der erstere Fehler war der einer grossen und 
genialen Zeit, der zweite ist der einer geistesärm- 
liehen. 
Doch wir kehren zu dem Carstens zurück, welcher 
1792 als ein noch unbekannter, durch hartes Ringen 
geistig gestahlter und körperlich geschwachter Mann in 
Rom einzog". Die Möglichkeit verdankte er dem Minister 
von Heinitz, der ihm schon 1790 eine Professur an der 
Berliner Akademie (mit hundertfüiifzig Thalern Gehalt) 
übertragen hatte und ihm jetzt für zwei Jahre ein Reise- 
stipendium von vierhundertfünfzig- Thalern zuwandte. Er 
war besonders durch die Ausmalung eines Saals im Palais 
des Marschalls d'0rville (Carstens Hauptarbeit in Berlin) 
für den Künstler eingenommen worden, und glaubte ein 
gutes Vilerk zu tun, wenn er ihn unterstützte und damit 
dem preussischen Staat zu ewigem Dank Verpiiichtete. 
Für die eigentümliche Grösse von Carstens fehlte es aber 
dem Minister, dessen Kunstverstandnis wir schon aus 
einem anderen Beispiele kennen, am erforderlichen 
Urteil. Carstens selbst sah seine Romreise von einem 
{ganz anderen Standpunkt an. Für ihn war wie für 
Winckelniann die Förderung seines geistigen Wesens, das 
nur in Rom seinen Beruf erfüllen konnte, die Haupt- 
sache; alles andere war Nebenwerk; Verpflichtungen 
gegen den Minister oder die Akademie oder den preussi- 
sehen Staat überhaupt waren ihm Formalitäten und 
eleusserlichkeit; nur Verpflichtungen gegen die Menschheit 
waren ihm Wesentlich. Er kam nach Rom nicht um den 
Planen eines Beamten oder den Bedürfnissen eines Insti- 
tuts zu entsprechen, sondern um sich selbst auszubilden 
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