Die
Xaclnvirklnlgell
Goethe's
17881
103
Verschiedenheit bezeichnet. Goethe war nicht nur als
Künstler in Gegensatz zu Herder, sondern er hatte eine ganz
andere Stellung zu den Menschen. Er verlangte nichts
für seine Person von ihnen, sondern nur für einzelne
Zweige seines vielseitigen Denkens und Tuns; Herder ver-
langte nur für seine Person, und wo er enttäuscht wurde,
war er missmutig.
Dass aber die römischen Deutschen ihm nicht geben
konnten, was er suchte, hinderte ihn doch nicht, ihnen
seine Anteilnahme, soweit es nach seinem Wesen möglich
war, zuzuwenden. Sie freuten sich in ihm einen Freund
tioethes Wieder zu besitzen, und erkannten gern an, dass
er bei aller Übellaunigjkeit doch immer gern bereit sei
ihnen zu nützen. Am meisten bekümnierte er sich um
den Antiquar Hirt, der ihn eine Zeit lang herumfilhrte.
und den er ernstlich zu erziehen suchte, wie er einst in
Strassburg Goethe erzogen hatte. Am verstäildlichsten
von Allen aber war ihm doch Angelika mit ihrer inner-
lichen Ilnbefriedigtheit und ihrer Hingabe an die zarten
Stimmungen ihres (jtemüts. „Die Angelika ist eine liebe
Madonmt; nur in sich gescheucht und verblühet auf ihrem
einzelnen sclnvacheil Zweige Du hast ihr sehr wohl-
getan, und sie findet an mir nichts von dem wieder, was
sie an Dir iterloren." Diese bescheidenen an Goethe
gerichteten Worte lassen doch zu wenig erkennen, welch
geist- und gemütreiches Leben sich gerade damals, und
auch durch Herdens Verdienst, um Angelika und in ihrem
Hause entfaltete. Den Hauptanteil daran hatte freilich
die Herzogin-llluttei" Amalia von W eim a r, welche im
Oktober 1788 zu längerem Aufenthalt in Rom eintraf.
Sie bildete hier um sich einen Künstlerhof, der für die
armen, strebenden Deutschen das goldne Zeitalter wieder
heraufzuzaubern schien. Die Herzogin besass einen Geist
von grosser Regsamkeit und Vielseitigkeit; ein Tempe-
rament, welches den verschiedensten Eindrücken sich an-
zupassen und überall die Oberhand zu behalten wusste;
ihre Yorurteilslosigkeit war für eine Dame des ancien
regime ganz erstaunlich; ihre Fähigkeit, jedem Menschen