Sechster
Abschnitt.
Die
Nachwirkungen (ioethels. Die ersten Anfiingii-
historischer Kunstbetrachtungq 1788-1792.
Wie Elisa dem feurigen Wagen des auffahrenden
Propheten, so blickten die in Rom zurückbleibenden deut-
schen Künstler dem nach den Nebeln des Nordens ent-
eilenden (ioethe mit dem schmerzlichen Gefühl der Ver-
waisung nach. Der enggescliaarte Kreis hielt in der
treuen, fast schwarmerisclien Erinnerung' an den Meister
noch fest zusammen. Eine lebhafte (Üorrespondenz spann
sich an, und wer so glücklich war, einen Brief zu er-
halten, der versammelte die Freunde wie zu einem Fest.
um ihnen den beneideten Besitz mitzutheilen. Nun gar
die neu erscheinenden Werke Goethe's, welche bald in
rascher Folge in Rom eintrafen, wurden mit einer Be-
geisterungr begrüsst, Welche gegen die Kühle, mit der
man sie tlitlllttls in Deutschland aufnahm, sehr vorteil-
haft abstach. Etwas anders stand es freilich mit dem
wirklichen Verständnis von Goethe's Wollen und Schaffen.
lllan darf wohl nur Angelika Kautfmann ein persönliches
Nachfühlen und Heinrich Meyer ein bewusstes Erfassen
von Goethe's Intentionen zuschreiben. Die andern sahen
ihn so hoch über sich, dass sie nur eine pädagogische
Wirkung von ihm empfangen konnten, die aber in den
Briefen auch in schönster Weise zu Tage tritt.
Immer lebendig, durch Goethe zu immer neuem
Streben angeregt, aber stets wieder in seine Schranken
zurückgewiesen, war Fritz Bury. Er KTBYIIÜSStG den
Freund und Führer am leidenschaftlichsten, so sehr ihn
auch Goethe's Briefe zur Ruhe mahnten. „Ihr Scheiden von
Florenz", heisst es in seinem ersten Brief nach der Tren-
nung; „e1npfing ich mit zitternder Freude und vielfältigen
Küssen wusste Vor lauter Freude nicht, wie ich ihn