DER
STIL.
Rücksichtlich der Naturnachahmung fordern wir vom Meister ab-
solute, objektive Realität der nachgeahmten Gegenstände und ist es
also klar, dass eine die NVirklichkeit alterierende Individualität prin-
zipiell gar nicht erscheinen darf. Haben dennoch Alteretienen des
natürlichen Vorwurfs stattgefunden, so kann der Grund liegen: I) in
künstlerischer Unfähigkeit; dadurch ist selbstverständlich der Begriff
der Meisterschaft aufgehoben. 2) In dem transscendentalen Abirren
der subjektiven Auffassung. Auch hier liegt absolut genommen ein
Mangel der Meisterschaft vor, welcher jedoch den im gleichen Irrtum
befangenen (derselben Nation etc. angehörigen) Menschen gegenüber
nicht in Betracht kommt. 3) In der durch den Stoff notwendig be-
dingten F ormgebung; in diesem Falle ist der Begriff der Meisterschaft
nicht aufgehoben, sondern vielmehr in seiner zweiten wesentlichen Be-
ziehung bestätigt. 4) In willkürlicher Stilisierung, hier ist der Begriff
der Meisterschaft durch korrekte Verwendung dieses negativen Mo-
mentes bedingt. Bezüglich der Procedur kann die Besonderheit eines
Stiles begründet sein I) wiederum in künstlerischer Unfähigkeit. 2) In
der Beschränkung auf eine bestimmte F orm'der Procedur bei objektiver
Mehrseitigkeit derselben. Da diese jedoch eine willkürliche ist, so wird
man den Gesichtspunkt der Stilisierung zu beachten haben. Durch
eine für die Procedur unwesentliche Eigentümlichkeit im Gebrauche
des Werkzeugs kann auf technischem Gebiet der Begriff der Meister-
schaft nicht vollendet oder beeinträchtigt werden. Allein statt dessen
wird der Umstand ausschlaggebend, dass die Erscheinung der Procedur
in die Realität des Gegenstands eingreift: daraus ergiebt sich eine
Grenze des zulässigen Masses von Eigentümlichkeit in der Manier,
deren Überschreitung den Begriff der Meisterschaft aufhebt, wenn sie
nämlich durch Alteration des Naturgegenstands den Effekt einer grund-
losen Stilisierung hat.
Von den aufgezählten Verschiedenheiten der Kunsterscheinungen
können wir die absichtliche Stilisierung füglich unberücksichtigt lassen,
weil die gemeinsame Absicht aller im Ganzen genommen auf einfache
Nachahmung der natürlichen Erscheinungen gerichtet ist. Nicht be-
rücksichtigt werden darf aber auch die Wirkung des höchst subjektiven
Ideals, welches dem Betrachter und dem Künstler gemeinsam angehört
und ihnen nicht bewusst ist. Die Technik aber ist in allen Fällen bei
demselben Werkstoff gleich. Daher bleiben als allgemein zulässige
Verschiedenheiten der künstlerischen Darstellung nur übrig
diejenigen, welche auf einer gewohnheitsmässig eigentüm-
lichen Auswahl der dargestellten Gegenstände und ihrer
Erscheinungsbedingungen beruhen, ferner diejenigen der