NACHAHMUNG
UND
MEISTERSCHAFT ;
KLASSIZITÄT.
malerischen Ausdrucksmitteln, eine über die Möglichkeit der natür-
lichen Erscheinung hinaus einfache Behandlung der Farben und Formen.
Kann diese letztere wirkliche Stilisierung Wenigstens bei monumentalen
Gemälden gefordert werden?!)
Die Begründung dieser Forderung durch den Hinweis auf histo-
rische Autoritäten ist prekär genug. Wenn wir nämlich bei muster-
gültigen Kunstwerken, welche an monumentalen Werken der Architektur
angebracht sind, z. B. an Rafaels Stanzen jene Stilisierung wahrnehmen,
so muss dieselbe durchweg als Materialstil erklärt werden, nämlich
allemal da, wo die Technik der Freskomalerei in Anwendung
gebracht ist. Wenn man nunmehr dieselbe Stilisierung auch in Fällen
verlangt, wo diese Veranlassung des Materials gar nicht vorliegt, z. B.
bei der Ausschmückung eines Monuments mit Ölgemälden, so ist der
nächstliegende Grund dazu offenbar darin zu erblicken, dass man sich
an die Verwendung jenes Materials in solchen Fällen gewöhnt hat_
Ein Gesetz, wonach bei monumentalen Gemälden eine völlig freie und
naturalistische Darstellungsweise, das Abzielen auf koloristisehe
NVirkungf) kurzum das Absehen von jeder formalen Beschränkung
verboten wäre, könnte also höchstens eine conventionelle Geltung
haben. Wenn jener Stil aber auf Tafelbilder übertragen ist, so liegt
doch die Vermutung sehr nähe, dass den Meister seine ausgedehnte
Beschäftigung mit F reskomalerei hiezu veranlasst habe. Indessen haben
I) KVie sehr man bei der Bezeichnung der monumentalen Kompositionsweise
als "Stil" gerade den Begriff der Stilisierung im Auge hat, beweist z. B. die Ansicht
H. Fischers, der beide (a. a. O. S. 41) geradezu identifiziert. Denn er versteht unter
Stilisierung „die Kunst, den Raum des Gemäldes zu wählen und zu gliedern und
dann die Figuren so hineinzubauen, dass sie--zu schöner Gesamtwirkung gelangen."
Diesen "stilisierten" Werken stellt er beispielsweise diejenigen Ad. Menzels gegen-
über, welcher die Natur nur da aufsuche, wo sie schön sei, und dann einfach ab-
bilde, aber sie nicht erst schön komponiere. Es ist jedoch ganz uneriindlich, wie
man eine. solche Unterscheidung machen kann; denn eine schöne Erscheinung ist
eine schöne Erscheinung, 0b sie schon vorliegt oder erst komponirt ist; und wenn
nur eine derartige schön ist, welche komponiert aussieht, dann ist auch die Natur-
erscheinung nur dann wahrhaft schön, wenn sie komponiert aussieht. Aber aller-
dings sind die Werke Menzels nicht architektonisch komponiert, wozu bei ihm auch
gewiss keine Veranlassung vorlägc; dagegen sind es mit Recht diejenigen Gesel-
schap's, der in engem Anschluss an Cornelius monumentale Architekturen ausschmückt.
Wenn aber nun an den gleichen Gebäuden realistische Wandgemälde hinzutreten,
die nicht -als Tafelbilder, sondern als monumental aufgefasst sein wollen, so kann
man, obgleich weder die eine noch die andere Darstellungsweise an sich verwerf-
lich ist, das gemeinsame Auftreten beider doch nur mit gemischten Empfindungen
betrachten.
2) Ich erinnere hier an derartige Werke Pilotys und Ferdinand Kellers.
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