DER FORMELLEN SCHÖNHEIT.
DIE EINZELNEN ERSCHEINUNGSFORMEN
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dieselbe, in ausschliesslicher Einteilung, neben die Symmetrie und
unterlässt es hier, von Eurhythmie zu sprechen. Es ist also gar nicht
unwahrscheinlich, dass er eben mit "Eurhythmie" die Propoitionalität
gemeint hat?) Semper macht (a. a. O. S. XXVIII) dem Vitruv
den Vorwurf, er werfe überhaupt alle formal-ästhetischen Begriffe durch-
einander, die er wahrscheinlich bei einem missverstandenen griechischen
Autor aufgeschnappt habe. Dieses Urtheil wird allerdings als ein zu-
treffendes betrachtet werden müssen. Allein dadurch wird Semper
nicht berechtigt, nun selber dem Namen einen Inhalt zu geben, welcher
ihm nach dem ursprünglichen und allgemeinen Sprachgebrauch sicher-
lich nicht zugehört, nämlich denjenigen der Reihe. Semper sagt: „Die
Eurhythmie besteht in einer geschlossenen Aneinanderreihung gleich-
geformter Raumabschnitte." Das ist aber nach Sempers eigener Dar-
stellung die rhythmische Reihung.
Es fragt sich immerhin, ob jener griechische Autor mehr zu sagen
wusste, als Vitruv, und ob er nicht einen ihm selbst dunkeln Sach-
verhalt damit bezeichnen wollte. Ich hielte es nicht für unmöglich,
dass die nicht symmetrischen, bloss durch Massensubordination geord-
neten Gebäude mit Rücksicht auf die schöne Bewegung ihrer Linea-
mente "eurhythmische" genannt worden wären. Dass die Antike
derlei unsymmetrische Anlagen kannte, dafür ist uns im Erechtheion
ein überaus reizendes Beispiel erhalten. Indessen wissen wir nichts
über den Begriff der Eurhythmie bei den Griechen, und brauchen auch
nichts davon zu wissen, da von der Existenz eines weiteren formell-
ästhetischen Gesetzes, als den vorher angeführten, keine Rede sein kann.
Die
Farbe.
Da. alle Erscheinungen, welche das Auge treffen, farbig sind, und
sogar die körperlichen Formen nur als Farbenunterschiede auf einer
Fläche, ganz so wie bei einem Gemälde, erscheinen, so erhellt, dass
die Kenntnis der schönen F arbenzusammenstellungen für die Ästhetik
der bildenden Künste von allgemeiner Bedeutung ist. Während die
formellen Gesetze der Musik einige Analogie mit den formellen Ge-
setzen der Architektur zeigen, ist hier den letzteren nichts analog.
Dagegen beherrschen die architektonischen Gesetze auch
die F arbenwerte. So muss z. B. in zwei symmetrischen Feldern
1) YVO
unter
dann
aaAnßlogiecs
die
Wiederkehr der Proportion zu verstehen wäre.