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DIE SCHÖNHEIT.
einem Gemälde gut verwerten lässt, sondern in erster Linie aus seiner
eigenen Bestimmung als Organismus; und je ernster diese Bestimmung
ist, desto weniger angebracht sind freie und spielende Formen. Da-
gegen wird in allen anderen Fällen die "malerische" Komposition
zulässig oder sogar die angemessene sein. Darin bestätigt sich nur,
dass dieselbe eben hier doch auch eine architektonische ist. Sie findet
ihre ausgedehnteste Anwendung im sogen. "Villenstil", was bei dem
hier in Betracht kommenden Landschaftsbilde wiederum dazu Anlass
giebt, von malerischer Schönheit zu sprechen. Sie wirkt aber auch
bei Verschneidungen von Gewölbsystemen u. dergl. im Innern. Ferner
beherrscht sie die nicht symmetrisch geordnete Innendekoration von
Wohnräumen. Sie kann sich in all diesen Fällen an symmetrische
Ordnungen anlehnen oder dieselben in sich aufnehmen.
Die Überschätzung und Verallgemeinerung der sog. malerischen
Schönheit hat ganz verderbliche Folgen. Das Profil eines Gefasses
z. B. kann, als blosse Linie, sich in einem Bilde ganz gut, ja vor-
züglich verwerten lassen, während es mit Rücksicht auf das Gefäss
durchaus hässlich ist. Dann bleibt das Gefäss eben ein hässliches,
und wenn man die malerische Verwendung zum Zweck des Gefasses
erhebt, so ist der Ruin des Geschmackes eine vollzogene Thatsache.
Im Falle der Symmetrie schaut das Auge die vorliegende Fläche
in ihrer Totalität an und misst Entfernungen nur bei einer Störung
ihrer notwendigen Abmessungen. Ehe wir auf die Empfindungen des
messenden Auges eingehen, muss noch eine Erscheinung besprochen
werden, welche im Gefolge" der allseitigen Symmetrie auftritt:
Die
Reihungen
(der
Rhythmus).
Unter Rhythmus versteht man die Aufeinanderfolge gleich-
geforrnter Raumabschnitte. Dadurch, dass die Form der Teile,
der rhythmischen Glieder, gleich sein muss, unterscheidet sich der
räumliche Rhythmus einer Aneinanderreihung vieler Erscheinungen
ein und derselben Form in der Architektur (Wie z. B. im Eierstab),
von dem zeitlichen Rhythmus der Musik, welch letzterer nur gleich-
grosse Abschnitte verlangt, während die in diesen Abschnitten auf-
tretenden Formen verschiedene sein können. Eine solche Aufeinander-
folge gleichgeformter Raumabschnitte, und zwar eine endlose, findet
statt an der Peripherie der allseitig symmetrischen Bildungen. Die
Reihung ist der Ausdruck einer Fortbewegung und erweckt durch die
stete Wiederkehr ihrer Elemente das Vertrauen auf ihre Rückkehr in
sich selbst. Hierauf beruht ihre symbolische Verwendung im Raume.