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m1; SCHÖNHEIT.
Verlaufes einer Begebenheit auf den Beschauer, also im Re-
sultat dieses zusammenhängenden, einheitlichen Verlaufes; es besteht
in der Schönheit der durch das Miterleben von Begebenheiten regel-
mässig erzeugten ethischen Affekte. Das Wohlgefallen durch Wahr-
heit erstreckt sich natürlich auch auf die Wiedergabe von Handlungen
oder Begebenheiten.
Damit haben wir die verschiedenen Beziehungen, in welchen eine
Erscheinung schön wirken kann, festgestellt. Es wird jedoch vor-
kommen, dass mancherlei Eindrücke von Gebilden der Kunst oder
Natur, welche sich als schöne darstellen, durch eine Analyse auf jene
Beziehungen nicht vollständig erklärt werden können. Allein es ist
ja wohl selbstverständlich, dass allgemeine Regeln im Verhältnis zu
der unendlichen Fülle und Tiefe gewisser Kunstwerke immer starr
und äusserlich bleiben; es kommt darauf an, dass man dies zugesteht;
allein ihre allgemeine Gültigkeit wird dadurch nicht aufgehoben.
Die Möglichkeit, etwas an sich nicht Schönes schön darzustellen
liegt für die bildende Kunst besonders im Gebiete der formellen Schön-
heit; in vielen Fällen jeder Art aber liegt sie auch darin, dass "der
Künstler, nach den Umständen, durch leichten Spott oder bitteren
Ernst den Gesichtspunkt feststellen kann, aus welchem sein Gegen-
stand überhaupt aufzufassen, "und wirklich von ihm selbst erfasst wor-
ist einzugestehen, dass „die blosse Schärfe und Deutlichkeit der Charakteristik"
"für sich selbst eine Abart der dritten symbolisch-ethischen Schönheit bilden müsse"
(S. 145). "Auch Schiller, welcher den dritten, ganz ethischen Teil der Schönheit
höchst meisterlich durchdacht, unterscheidet denselben mit grosser Schärfe, wenig-
stens von dem zweyten, den er den architektonischen nennt" (S. 138). Es bedarf
keiner Ausführung, dass Rumohr hier eine grosse Verwirrung anrichtet. Sollte man
nicht denken, die "natürliche Symbolik der Formen" sei eben das architektonisch
oder organisch Schöne? Dann würde aber Rumohrs zweites Schönheitsgebiet ganz
überflüssig werden. jedoch nennt er es ein ganz ethisches Schöne, was sich doch
nur auf diejenigen Erscheinungen erstrecken kann, die ein Ethos des Menschen aus-
dIüCkCn, nämlich Gesichtszüge und Handlungen. Dass endlich das Wohlgefallen
durch Wahrheit nicht in demselben Sinne ethisch Schönes sein kann, sondern im
Gegenteil eine ganz eigentümliche Stellung einnehmen muss, liegt atlf der Hand.
Nur in den Kunstwerken soll es nicht für sich allein das Ziel der Kunst ausmachen.
Dass man das Gefühl für die formelle und die organische Schönheit nicht durch
Beweise erstreiten kann, ist selbstverständlich; viel eher dürfte das letztere durch
Übung der Zweckthätigkeit des eigenen Körpers gestärkt und entwickelt werden.
Über die einzelnen Erscheinungsformen des Schönen herrscht jedoch so wenig Streit,
dass wir sie allgemein als objektiv feststehend ansehen und behandeln. Der Ge-
schmacksstreit erstreckt sich gewöhnlich nur auf die richtige Subsumtion der einzelnen
Erscheinungen unter die allgemeinen Regeln. Dann aber erfolgt er aus logischen
Gesichtspunkten und lässt daher auch eine Beweisführung zu.