DIE VERSCHIEDENEN BEZIEHUNGEN DER SCI-IÖNHEIT.
37
Soviel, was die Schönheit der äusseren Erscheinungen anbelangt.
Es erübrigte nunmehr noch, das Schöne der Handlungen zu
bestimmen. Als das Schöne von Handlungen muss es ein sittlich
Schönes sein. Dasselbe kann nur liegen in der Wirkung des
werden. In Wahrheit ist der menschliche Körper, auch im Bilde, ganz ebenso ein
dienendes Kunstwerk, wie ein Haus oder ein Gefäss. Hier liegt eine Ver-
wechslung vor zwischen äusserer Zweckmässigkeit und subjektiver,
d. h. nicht rein angeschauter, praktisch beurteilter Zweckmässigkeit.
Nur die letztere ist unästhetisch, während ein Gebrauchszweck für die ästhetische
Betrachtung blosse Vorstellung, fiktive Voraussetzung sein kann und muss, also hier
nicht mehr subjektiver Zweck, und dennoch äusserer Zweck ist. Dies hat auch Kant
seinen Beispielen zufolge angenommen. Die Vollkommenheit des Körpers eines
Mannes z. B. bestimmt sich nicht bloss dadurch, dass der Organismus desselben
seine Existenz ermöglicht, sondern notwendig auch dadurch, dass er Mann ist, also
eine Reihe von äusseren Zwecken erfüllen kann; denn sonst würde der Massstab der
Vollkommenheit für den Körper des Weibes durchaus derselbe sein, was sich jedoch
bezüglich verschiedener Körperteile gerade umgekehrt verhält. Wenn wir ferner
einen Becher vor uns haben, so beschränkt sich zwar dessen innere Zweck-
mässigkeit auf die Standfähigkeit des Gefässes, und der äussere Zweck des Fassens
einer Flüssigkeit und des Trinkens derselben entscheidet beinahe vollständig über
die schöne Form. Aber die innere Zweckmässigkeit fehlt deshalb doch nicht ganz,
und die äussere ist hier wie dort ästhetisch, weil sie in beiden Fällen bloss be-
trachtet wird.
„Dreifach teilte schon Baco die Schönheit ein". (Rumohr a. a. O. S. 137).
Rumohr unterscheidet gleichfalls drei Gattungen des Schönheitsgefühls. „Die erste,
und einleuchtend die niedrigste, umfasst die Veranlassungen eines bloss sinnlichen
Wohlgefallens". „Die zweite Art der Schönheit beruhet auf bestimmten Verhält-
nissen und Fügungen von Formen und Linien, welche auf eine unerklärte und dunkle
Weise, doch der Wirkung nach ganz sicher und ausgemacht, die gesamte Lebens-
thätigkeit ergreifen und dieSeele notwendig in die glücklichste Stimmung versetzen.
Diese Art der Schönheit scheint in der allgemeinen Weltordnung ihr Gegenbild zu
haben. Da nun vornehmlich in der Baukunst am Tage liegt, dass bestimmte räum-
liche Verhältnisse schon an und für sich über die Seele eine unwiderstehliche Ge-
Wßlt ausüben, so nannte Schiller diese Schönheit die architektonische". Es liegt am
Tage, dass Schiller hier das organisch Schöne meint, während er es Rumohr falsch-
lich als Proportion bestimmt. Er schlägt die Benennung „Schönheit des Masses" vor.
Blosse Proportionen gehören jedoch in das Gebiet der formellen Schönheit, während
allerdings der Zweck sich auch eine Proportionalität schafft. „Die dritte", fahrt er
fort, "und für sittliche und erkennende Wesen unleugbar die wichtigste, Schönheit
beruhet auf jener gegebenen, in der Natur, nicht in menschlicher Willkür, gegrün-
deten Symbolik der Formen, durch welche diese in bestimmten Verbindungen zu
Merkmalen und Zeichen gedeihen, bei deren Anblick wir uns notwendig teils be-
stimmter Vorstellungen und Begriffe erinnern, teils auch bestimmter, in uns schlum-
memder Gefühle bewusst werden". „Das Erfreuliche, welches schon in der nackten
Deutlichkeit der Erscheinung liegt", „ist eine eigene Art der Schönheit ebensowenig,
als sie jemals das ausgesonderte Ziel irgend einer Kunstrichtung gewesen"; aber es