DIE AUS DER THATSACHE DER NACHAHMUNG FOLGENDEN KUNSTPRINZIPIEN.
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giebt sich, dass er, sich stützend auf behauptete Qualitäten antiker
Bildwerke, die Verschönerung des Gegenstandes auf Kosten der Wahr-
heit verlangte, insoweit diese hässlich ist („Laokoon" Kap. II),1)
während die Antike das Prinzip des Idealismus in Wirklichkeit da-
durch bestätigt, dass sie mit Vorliebe neuerfundene Vorstellungen
darstellte und die bildliche Wiedergabe von hässlichen Gegenständen,
d. h. in ihrer Einheit, im ästhetischen Gesamtresultate, hässlichen Er-
scheinungen im Ganzen vermieden hat. 2) Demnach hat, wenn die
volle Realität zur Hässlichkeit führt, nicht eine Herabstimmung der
aller Künstler fortwährend bestätigt, welche ohne sie ganz unerklärlich wäre. Hier
scheiden wir uns also von Rumohr.
Unter "Nachahmung" verstand Aristoteles die Nachahmung von Erscheinungen
der wirklichen Welt. Man kann ferner, denke ich, angesichts des Eingangs des
IV. Kapitels der Poetik, insbes. von Abs. 5, nichts daran abhandelu, dass er das
YViedererkennen eines Gegenstandes in der Nachahmung für ein Moment der Lust
des Kunstgenusses erklärte. In seinem „Handbuch der Poetik" behauptet nun
H. Baum gart (S. 6 Abs. 3 ftÄ), Aristoteles habe unter pipnoig nicht die Nachahmung
der Erscheinungen verstanden, sondern ihm zufolge würden in den Kunstwerken
jeder Art eigentlich nachgeahmt die "Vifirkungen, welche die Dinge, Personen,
Begebenheiten in unserer Seele hervorbringen" (S. 33 a. a. In der Lyrik werden
nun freilich die Eindrücke der Erscheinungen auf ein Subjekt geschildert, und in-
sofern kann man hier sagen, die WVirkungen der Erscheinungen seien Gegenstand
der Nachahmung. Ferner ist die Wirkung der Landschaftsmalerei eine wesentlich
lyrische. Allein dies könnte auch die Wirkung einer natürlichen Landschaft sein,
während das Nachgeahmte doch die Landschaft bleibt. Es fehlt an jedem
genügenden Grund, dein Begriff der Nachahmung einen anderen Inhalt zu geben.
Baumgart hält aber den Nachahmungsbegriff in seiner Fassung sogar für tauglich
2111" Anwvendung auf die Architektur und sagt (S. 60), deren Gegenstand sei die Nach-
ahmung eines "Ethos"! Gleichwie in die Worte des Aristoteles hat er in diejenigen
des Plutarch einen ihnen nicht zukommenden Sinn gelegt. YVenn Plutarch gesagt
hat: „die Künste unterscheiden sich durch das Material und die Art der Nachahmung"
und er setzt dann hinzu: "rähog 5' äucporäpolg äv ürröxeirai", so liegt doch auf der
Hand, dass mit diesem einen Ziele, welches "beiden" Künsten im Gegensatze zu
ihren Mitteln gemeinsam sei, eben die Nachahmung gemeint ist, und nicht etwa
nEmpflndungen, Stimmungen, NVirkungen". Dass Plutarch geneigt war, der Nach-
ahmung eine zu grosse Bedeutung, im Sinne des Naturalismus, einzuräumen, geht
aus verschiedenen Stellen hervor. Dass aber der Gegensatz der Nachahmung, um
Welchen es sich für die Ästhetik handelt, allein die Schönheit ist, darüber scheint
man einig zu sein.
1) Ich kann H. Fischer nicht Recht geben, wenn er (S. 57 a. a. O.) gegen Iusti
und Rumohr diese Thatsache wegzuplaidieren sucht. Diese Auffassung Lessings ist
ein ganz wesentlicher und wichtiger Teil seiner Kunstanschauung und durch die
VOR ihm (in Kap. II) gegebenen Beispiele ausser Zweifel gestellt.
2) Doch liegt auf der Hand, dass nicht dies der Grund war, warum die Hellano-
diken nur dem dreimaligen Sieger eine Bildnisstatue errichteten, sondern dass der
hülle Wert einer solchen Ehrenbezeugung den entscheidenden Gesichtspunkt bildete.
Alt, System der Künste. 2