DIE NACHAHMUNG.
deren Lösung, wie sie z. B. Arnold Böcklin mehrfach gelungen ist,
höchste Befriedigung gewährt. Abgesehen von der schönen Dar-
stellung hässlich bleibender Gegenstände ist noch diejenige idea-
listische Thätigkeit möglich, welche sich selbst schon auf
ideellem Gebiete bewegt, indem wir ausser den schönen natür-
lichen Gegenständen auch solche abbilden können, welche bloss in der
Vorstellung existieren und schon dort als schöne erzeugt sind. Dabei
darf aber keiner Bedingung der Möglichkeit einer wirklichen Existenz
widersprochen sein. 1)
Vergleichen wir mit dieser Auffassung diejenige Lessings, so er-
I) Dies war die Ansicht des Aristoteles. Er hat, wie sich aus seiner ganzen
Poetik (insbes. z. B. aus Kap. IX, I und 9; II, I) ergiebt, bei aller Betonung der
nachahmenden Beschaffenheit der Kunst (uiunolg) nicht nur die Möglichkeit der
Idealbildtlng anerkannt, sondern dieselbe als das eigentliche und höchste Ziel der
Kunst betrachtet. Kap. IX, 1 sagt er: „dass es nicht die Aufgabe des Dichters ist,
vorzutragen, was einmal wirklich geschehen ist das ist vielmehr diejenige des
Historikers sondern solche Dinge, welche sehr wohl geschehen konnten und die
möglich sind entweder nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit oder der Not-
wendigkeit". Die Idealbildung erhält ihren höchsten Wert gerade dadurch, dass
das erscheinende Schöne nicht irgendwo in seinen Voraussetzungen und Bestand-
teilen unmöglich sein darf, sondern. im Gegenteil durchaus wahrscheinlich sein muss.
Rumohr war im Irrtum, wenn er die von Aristoteles anerkannte Möglichkeit
der Idealbildung leugnete. Dass er zwischen dieser und der Idealisierung gegebener
Gegenstände nicht unterschieden hat, war sein Fehler. Er sagt: „es sei eine eitle
Selbsttäuschung, dass organische Formen durch willkürliche Abänderungen verschönt
werden können; dass die Anordnungen des Schöpfers einer Nachbesserung durch
menschlichen INitz bedürfen" (S. 30 a. a. Er erklärt, jedoch ohne den historischen
Nachweis zu liefern, der Idealbegriff stamme in der Kunst überhaupt nicht von der
platonischen Idee, sondern von einem Gebrauch der Manieristen, welche den Inhalt
ihrer „leeren Zerrbilder" als idea, im Neuitalienischen "Einfall" oder willkürliche Vor-
stellung, bezeichneten. (S. 41 a. a. Der Künstler werde künftig wohlthun, von
dem "titanischen Vorhaben abzustehen, die Naturform zu verherrlichen, zu ver-
klären, oder mit welchen anderen Namen solche Überhebungen des menschlichen
Geistes in den Kunstschriften bezeichnet werden"; glücklicherweise bestehe der
Zweck der Kunst in ganz anderem, als in dieser "Altflickerei der Werke des grössten
und ältesten Meisters en ronde bosse et basso rilievo" u. s. w. Man erkennt leicht,
dass dies alles von der Idealisierung gegebener Gegenstände, aber auch nur von
dieser zu gelten hat; wie wir Schönes organisch neu erzeugen, soll noch erörtert
werden. In einem bekannten Briefe Rafaels ist gesagt, dass er „in Ermangelung
von guten Modellen einer gewissen Idee nachstrebe". Rumohr konnte demselben
natürlich keinerlei Wert beirnessen. Aber wenn er auch mit gutem Grunde sagt,
bei Künstlern müsse man mehr auf ihre Werke sehen, als auf ihre theoretischen
Auslassungen, so muss doch jener XVahrnehmung Rafaels eine Thatsache zu Grunde
gelegen haben. Ich kann mir nicht denken, wie Rafael nur aus Irrtum darauf hätte
verfallen sollen, und keinesfalls ist sie erfunden. Über die Natur jener Idee ist
freilich damit nichts gesagt; dass sie aber vorhanden ist, wird durch die Thätigkeit