SCHLUSS.
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Zunftpedanterey, durch Überschätzung von blossen Hülfskenntnissen,
durch Prunk und Wetteifer in deren Darlegung, herbeigeführt wurde.
Es hat demnach diese einzig einzuräumende ausschliesslich künstlerische
Kennerschaft doch ihre missliche, ihre gefährliche Seite und kann von
dem richtigeren Bestreben ableiten, auf das menschliche Dasein durch
Anregung der Phantasie, durch Stimmung des Gemüthes und Erhebung
der Seele einen wohlthätigen Einfluss zu erlangen. Eine Kunst ohne
allgemeinen Werth wird aus Vorurtheil oder Gewöhnung, als ein con-
ventionelles Erforderniss der Sitte und des Luxus geduldetfdoch nicht
geliebt, nicht herangebildet werden, wie die neuerelKunst bis Raphael
von einer ungelehrt empfänglichen Menge.
Nehmen wir aber an, der Spruch umfasse die stets zahlreiche
Klasse der missglückten Künstler, der Klimperer und Stümper, so be-
ruht offenbar deren Competenz zum ausschliesslichen Kunsturtheile
nicht, wie bei jenen, auf eigenem Productionsvermögen, sondern auf
den Beobachtungen und Reflexionen, zu welchen ihre vergeblich ge-
bliebenen Bemühungen die Veranlassung herbeigeführt haben. Sie
stehen demnach, als blosse Empiriker, dem wahren, sinnvollen Kunst-
freunde, der ebensowohl mit Schärfe beobachtet, mit Nachdenken ge-
sehen haben könnte, eigentlich ganz gleich.
Ich billige nicht, dass man ohne angebornen Beruf zur Kunst,
ohne hinreichenden Umfang der Kunde, sich daran mache, wie es ge-
schieht, Kunstwerke zu bcurtheilen, für welche man keinen Standpunkt
gefasst hat, ästhetische Gemeinpläitze, deren Verbreitung in unseren
Tagen dem Geschmacke mehr Nachtheil bringt, als man denkt, auf die
ersten sich darbietenden Gegenstände anzuwenden. Aber sind
denn die technischen Erfahrungen und Feinheiten, die Einsichten und
Selbstkenntnisse, welche, da selbst der Genius derselben nicht ent-
behren kann, für den Künstler gewiss eine hohe Wichtigkeit haben,
das letzte Ziel, der eigentliche Zweck der Kunst? Sind sie nicht viel-
mehr blosse Hülfsmittel der Versinnlichung dessen, was jede offene,
edle, gebildete Seele erfreuen, begeistern, hinreissen soll? Wer denn
hat ein Recht zu entscheiden, wo es das Allgemeine, das rein Mensch-
liche gilt? Nicht der Zunftgenosse als solcher, wie hoch, wie niedrig
er im Handwerke stehen möge, sondern der unbefangenste, reinste,
besonnenste Mensch, möge er Künstler, möge er dem äusseren Be-
rufe nach sein, was er ist.
Den ganzen Werth, die belebende Kraft eines solchen Beifalls
können freilich nur solche Künstler ermessen, denen jemals die Freude
zu Theil geworden, durch deutliche Vergegenwärtigung wür-