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SCHLUSS.
Denn nichts als seine stumme Leistung vermag der Künstler der Pu-
blicität litterärischer Organe entgegenzustellen, welche oft genug durch
ein unmuthig oder unbedachtsam hingeworfenes Wort gegen Personen,
Schulen, Genossenschaften Vorurtheile verbreiten, deren Folgen nicht
zu berechnen sind.
Was nun versteht dieser alte Spruch unter dem Worte Künstler?
Grosse Meister? oder dehnt er es auch auf solche aus, welche mit
geringem, oder auch gar keinem Erfolg um die Kunst sich bemüht
haben?
Nehmen wir an, er verstehe: grosse Meister; wodurch denn und
worin würden diese befähigt sein, die künstlerischen Leistungen anderer
gerecht und richtig zu beurtheilen? Ob durch ihren Genius? oder viel-
mehr durch ihre technischen Erfahrungen und wissenschafrlichen Hülfs-
kenntnisse?
Nehmen wir an, durch ihren Genius; so stellt sich dem entgegen,
dass grosse Künstler einer verflachenden Allgemeinheit und Vielseitig-
keit eben nur durch entschiedene Hingebung in ihre Eigenthümlichkeit
entgegen können, dass daher jene Abgeschlossenheit, Einseitigkeit,
harte Abstossung alles ihnen F remdartigen entstehet, welche alle Künst-
ler von grossem Naturell zu gegenseitigen Ungerechtigkeiten zwingt.
Also dürfte, auch ohne niedrige Beweggründe, welche edler Seelen
unwerth sind, in die Berechnung zu ziehen, für Künstler und Kunst-
werke wenig Aussicht auf eine reine, unbestochene Würdigung vor-
handen sein, gälte jener Ausspruch in dem Sinne, dass nur Männer
von ächtem Genius wahre Kunstwerke beurtheilen können.
"Setzen wir hingegen, durch ihre technisch-scientifische Bildung,
so würde diese allerdings wohl den grossen Künstler in die Lage ver-
setzen, zu beurtheilen, zu würdigen, was in Kunstwerken ihrem Produ-
centen besondere Schwierigkeiten gemacht, also insofern es gelungen
ist, von Tüchtigkeit, Kraftaufwand und Kenntniss zeugt. Hierin den
Meistern die Vorberechtigung ihres Urtheils absprechen zu wollen, ist
wohl bis dahin Niemand in den Sinn gekommen. Indess sind diese
Erfahrungen und Kenntnisse wohl für das Gedeihen der Kunst von
grösster Wichtigkeit, doch nicht schon die Kunst selbst, vielmehr nur
die Mittel deren sie sich bedient, ihrem eigentlichen Ziele näher zu
kommen. Der tüchtige Künstler aber ist stets geneigt, zu überschätzen,
was die grösste Anstrengung kostet: die Herrschaft über sein Rüst-
zeug. Es ist mir nicht erinnerlich, ob man es jemals ganz sich deut-
lich gemacht habe, dass der Verfall der neueren Kunst, insofern er
von der Schule des Buonaroti ausging, durch überhandnehmende