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SCHLUSS.
druck des äusseren Zwecks heranziehen wird. Auch der Rococostil soll
Verwendung finden. Wenn aber in letzter Zeit einige Architekten, um
dem Bedürfnis nach Wechsel entgegenzukommen, sich nicht gescheut
haben, die Ausschreitungen der Barockzeit nachzuahmen, so sind wir
es uns schuldig, dagegen Protest einzulegen; denn soweit sind wir
noch nicht, dass wir den späten Barockstil als einen Ausdruck der
Lebensthätigkeit der Nation anerkennen müssten. Ob wir es wollen,
das ist heute mehr eine Frage des Charakters als der Einsicht. Die
vernünftige, geistig gesunde Handhabung allein kann die verschiedenen
Baustile, welche uns vorliegen, zum Ausdruck unseres eigenen Wesens
machen, und hohe Vortrefflichkeit der einzelnen Leistungen sei das
Ziel der Künstler.
Als Gottfried Semper sein grosses Werk über den Stil schrieb,
warf er die Frage auf, ob die derzeitige Verwirrung auf dem Gebiete
der Architektur das Anzeichen eines allgemeinen Verfalls oder eines
sich vorbereitenden Aufschwungs sei. Er antwortete darauf: „Die
erstgenannte Hypothese ist trostlos und unfruchtbar, weil sie dem
Künstler, der ihr huldigt, jeglichen Halt bei seinem Streben versagt;
denn eine zusammenstürzende Kunstwelt zu stützen, dazu sind eines
Atlas Kräfte zu schwach. Die zweite Hypothese dagegen ist praktisch
und fruchtbar, gleichviel ob begründet oder irrig an sich selbst." Erst
wenn wir uns selbst aufgeben, sind wir ganz verloren; die letzte Be-
wegung der Architektur lässt dies beinahe befürchten. Vielleicht ist
es mir gelungen, zur Befestigung gesunder Tendenzen etwas beizu-
tragen, indem ich zeigte, welche Wege wir einschlagen können und
welche uns verschlossen sind. Wir dürfen aber hoffen, unsere Natio-
nalität in unseren Werken auszusprechen, weil unsere transscendentale
Eigentümlichkeit sich geltend machen wird, ohne dass wir es selbst an-
streben oder nur bemerken.