VERHÄLTNIS
DER
GES CHICH TLICHEN
BAUSTILE
ZUR
IDEE.
225
Tempel zuElephantine, ist abzusehen. Sodann aber stand die Form
der Pflanzensäule rein äusserlich betrachtet der echten abstrakten
Kunstform der Säule nicht so sehr fern, wenn sie auch in der Idee
das konträre Gegenteil bedeutet. Man wird die sämtlichen ägyptischen
Kelchkapitelle mit Fug als „pr0t0kO1'lnthiSCh6" bezeichnen dürfen; zum
mindesten war in jedem Falle die Gliederung in Schaft, Kapitel! und
Basis vollzogen, auch die quadratische Deckplatte, der Abakus, ge-
funden (protodorische Säulen von Beni Hassan, Knospenkapitelle von
Luksor und Medinet Habu); jedoch ist dieser Teil der ägyptischen
Säule mitunter als überstehender Teil der nicht ganz verhüllten Werk-
form (Säulen der Hypostyle von Karnak und im Ramesseum, Palmen-
kapitell von Soleb) oder als Architravbestandteil aufzufassen. Die
konstruktiven und die künstlerischen Elemente des baulichen Orga-
nismus standen sich jedoch ganz unabhängig von einander gegenüber;
es fehlte "der zündende Prometheusfunke," wie man treffender hier,
als mit Bezug auf die asiatischen Vorläufer der griechischen Architektur
sagen kann.
Westaszkiz
Wir sind über die babylonische, assyrische, chaldäische Baukunst
nicht in gleichem Masse unterrichtet, wie über die ägyptische. Doch
ist uns wenigstens soviel bekannt geworden, dass wir mit Semper an-
nehmen dürfen, ein Kunstprinzip der Bekleidung des Strukturkerns
mit anderen bildnerisch gestalteten Materialien sei ihr gemeinsames
Kennzeichen. Ein folgerichtig durchgeführtes Prinzip der Umhüllung
des Bauwerks mit der nachahmenden Darstellung eines demselben in.
der Hauptsache verwandten Artefakts, wie in der ägyptischen Bau-
kunst, giebt es hier jedoch nicht. Die Inkrustation bildete im grossen
Ganzen eine blosse Zierde ohne jeden Zusammenhang mit dem Wesen
des Gebäudes, wenngleich sie in der Folge mitunter beim Wegfallcn
des Strukturkerns technische Funktionen übernommen haben mag.
Daraus kann man vielleicht auch einige Kunstformen der Antike, wie
beispielsweise die Abplattungen des jonischen Architravs, historisch her-
leiten. Aber deshalb lässt sich doch nicht der griechische Tempel in
seiner gesamten Formensprache als Versteinerung einer metallenen
Hohlkörperkonstruktion erklären, noch auch wäre damit im eigenen
Sinne des Urhebers dieser Ansicht etwas gewonnen, wie wir hinlänglich
dargethan haben; die funktionelle Form kann natürlich immer nur der
OberHäche der Gebäudeteile angehören, darum sind dieselben aber
doch nicht als Hohlkörper zu verstehen. Neben den Formen der
Alt, System der Künste. 15