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DIE
ARCHITEKTUR.
tend, während im gleichen Fall eine als plastisch erscheinende Deko-
ration von Laub und Früchten in Gobelinstil sehr wohl zulässig ist.
Dass es beim Ornament auf Naturähnlichkeit keineswegs an-
kommt, zeigt sich auch in der Glasmalerei. Ein Fenster ist an sich
kein_ sehr passender Platz für die Thätigkeit der freien nachahmenden
Kunst. Von einer malereiähnlichen Nachahmung kann bei der Trans-
parenz aller Farben keine Rede sein. Grössere Flächen von gleicher
Farbe verbreitet schon die notwendige Zerschneidung derselben durch
die Verbleiung. Überall die ganze Tiefe und Glut der Farbe zu
zeigen, welche ihr zu Gebote steht, das ist der Stil der Glasmalerei,
welcher bei angemessener Grösse der dargestellten Figuren in den
wichtigsten Fällen vernichtet würde. Daher muss sie in erster Linie
auf eine teppichartige Wirkung ausgehen, und wie dabei das Figürliche
ausfällt, ist ziemlich gleichgültig. Dass die Farbenkomposition allein
entscheidend ist und monumentale Malerei hier ganz unzulässig, be-
weisen z. B. die neueren Fenster des Kölner Dom's, bei welchen mit
einem hohen Aufwand von freier Kunst nur Geschmacklosigkeit erzielt
wurde; dass Teppichwirkung das eigentliche Ziel ist, beweisen am
besten die herrlichen alten Fenster des Lorenzdom's in Nürnberg.
Werden bildliche Darstellungen zur Verzierung verwendet, so
kommt unter allen Umständen noch die symbolische Bedeutung
in Betracht, welche sie annehmen können. Die symbolische Anspie-
lung kann sich beziehen entweder auf den inneren Zweck, d. h. also
auf die Funktion des verzierten Gliedes, und sie kann sich beziehen
auf den äusseren Zweck des Ganzen. Der innere Zweck ist mass-
gebend für die Wahl der Verzierungen der organischen Glieder, sofern
sie überhaupt symbolische Vorstellungen wachrufen. So z. B. wird es
passend sein, die untere Ansicht des Architraves mit einem Muster
zu bedecken, welches ein fortlaufendes Geflecht darstellt. Denn hier
ist die Verbindung zwischen den Säulen im Sinne der absoluten Festig-
keit zu versinnlichen?) Der äussere Zweck wird für die Auswahl
1) Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass Bötticher das symbolische
Ornament mit den Kunstformen zusammengeworfen hat. Diese Auffassung war da-
durch begünstigt, dass die Griechen zweifellos grosses Gewicht auf eine zutreffende
Verwendung der symbolischen Ornamente gelegt haben, was natürlich durchaus nach-
ahmenswert ist. Über die einzelnen Verzierungstypen s. A. Hauser, "Stillehre",
S. 73 ff., wo jedoch ebenfalls Kunstformen und Verzierungen zugleich behandelt sind.
Die richtige Unterscheidung dürfte jetzt keine Schwierigkeit mehr bieten. Wir haben
schon angedeutet, dass, wenn die Verzierung des dorischen Echinus als Blattspitze
aufzufassen wäre, der sog. Eierstab, als rein formale Verzierung, den Vorzug ver-
dienen würde, und dass Perlstäbe und Schnüre als Symbole des Zusammenhaltens
nicht hierauf Bezug haben können.