DAS
ORGAN [SCH
SCHÖNE
VERI-IÄLTNIS
ZUM
MATERIAL.
199
auf die Form zugestehen, je mehr die Gattungsidee an Bedeutung ver-
liert und je weniger ernst wir es mit der Idee zu nehmen brauchen.
Die Überschätzung der handwerklichen Technik aber führt bisweilen
zu groben Verstössen, welche dadurch, dass man die betreffenden
Produkte unter den Gesichtspunkt der malerischen Schönheit bringt,
nie ganz beseitigt werden können.
Die Merkmale der Prozedur können endlich entweder als selb-
ständige Ornamente verwertet sein oder das zweckliche Motiv orna-
mental bereichern.
Besondere Ornamente schafft die Prozedur, wenn wir, wie Semper
mit einer etymologischen Anspielung auf die textile Naht sagt, aus
der Not eine Tugend machen?) Man verbirgt die Nahtunicht, sondern
bildet die eigentümliche Erscheinung der fortlaufenden Stiche orna-
mental aus (fortlaufende Dreiecke u. dergl. zwischen Mittelstück und
Borde eines Teppichs). Und was die Naht ist für Gewebe, Leder
u. dergl., das ist der Nietkopf am Metallblech, der Nagel oder die
Schraube für das Holz, welche ihre ornamentale Ausbildung in der
Rosette gefunden haben. Ferner gehört hierher die rhythmische
Reihung überfälzter Bretter mit mehr oder weniger verziertem Falz,
sowie von Rahmen und Füllungen in unseren Holztäfelungen. Eine
ornamentale Bereicherung des zwecklichen Motivs findet statt z. B.
in der Holzkonsole. Die Form der Konsole hängt nicht ab vom
Material; aber man wird sie in Holz mit allerhand Zierformen, ge-
drehten Quasten, detailliertem Pofil und dergl. ausstatten, welche in
Stein unpassend wären und kleinlich wirken würden.
Einem und demselben Material können auch wohl mehrere Pro-
zeduren eigentümlich sein, wenngleich vielleicht die eine mehr, die
andere weniger. Dann stehen sich dieselben ganz oder annähernd
gleich. So hat z. B. der in Böhmen ausgebildete Glasschliff neben
dem venezianischen Glasstil eine hohe Berechtigung. Aber wir ziehen
naturgemäss diejenige Prozedur vor, welche dem betreffenden Bildstoff
am meisten charakteristisch ist und welche er womöglich mit keinem
anderen teilt. Z. B. kann das Eisen durch Erhitzung flüssig gemacht
und in beliebige Formen gegossen werden, ebenso wie irgend ein
weiches Material, Thon oder dergl., sich mit der Hand kneten lässt.
Die eigentümliche Behandlungsweise des Eisens aber ist nicht diese,
sondern vielmehr das Schmieden.
Es
fragt
sich
endlich,
0b
Formen,
welche
der
Technik
eines
Vergl.
Semper