Volltext: System der Künste

DIE 
ORGANISCHE 
SCHÖNHEIT 
DER 
ARCHITEKTURWERKE. 
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korinthischen Stils (Ephesos, Salonichi), das Profil einer steigenden 
Welle erhält, so weicht man entschieden durch diese Kraftäusserung 
von der Idee ab; weniger ist dies der Fall bei einer blossen Ausbau- 
chung des Frieses (Labranda). Darum sind diese spielenderen Formen 
doch nicht ohne Weiteres zu verwerfen. 
Die ideale Form des auf den Stützen fussenden und ihre Häupter 
überbrückenden Gliedes bildet der dreiteilige jonische Architrav. Er 
versinnlicht durch das Vorspringen seiner Platten das Ansteigen aus 
dem Leeren und durch die infolgedessen entstehenden horizontalen 
Lineamente die fortlaufende Verbindung der Stützen; er bereitet durch 
seine allmähliche Verstärkung ein Lager für den Hauptteil des Gebälks. 
NVenn man das Profil mit Semper als einemRahmen auffasst, so ist 
dies nichts wesentlich anderes. Es ergiebt sich in beiden Fällen, dass 
die Kunstform an der gewölbten Archivolte ganz ebenso berechtigt 
ist, wie an dem geraden Architrav. Die Antike kannte noch eine an- 
dere Form des Architravs, den glatten dorischen Epistylbalken; der- 
selbe sprach offenbar nicht in gleich vollkommener Weise die Idee aus. 
Die obere Begrenzung des Gebälkes giebt das Hauptgesimse 
(Kranzgesimse, Geison, Korona), eine vorstehende Platte, welche den 
praktischen Zweck erfüllt, die Unbilden der lNitterung abzuhalten, zu- 
gleich mit dem darüber sich erhebenden Rinnleisten (Sirna), der eigent- 
lichen Krönung. Als frei endigendes Glied muss die letztere eine 
Ausladung erhalten, kann jedoch im übrigen, ohne dass sich hiefür in 
der Idee irgend ein Bestimrnungsgrund finden liesse, ein beliebiges 
Proül annehmen. Deshalb kommen an den antiken Monumenten so- 
wohl Ausbauchungen, als Kehlen, steigende und fallende Karniese vor. 
Das Geison erscheint ästhetisch als Endigung der Raumdecke, des 
Daches. An den genannten Hauptteilen des Gebälkes treten weitere 
Glieder auf, welche mehrfach eine historisch-technische Erklärung 
wünschenswert machen. Asthetisch sind aber beispielsweise die sog. 
Tropfen der Viae des dorischen Geison nichts weiter, als ein Sinnbild 
des Hängens, die dorischen Triglyphen lediglich eine rhythmische Ver- 
zierung und die naturgemässeste Einteilung des F rieses, da eine tech- 
nische Bedeutung derselben, wennselbst solche einmal bestanden hätte, 
unmittelbar nicht ersichtlich ist. Die einzelnen Teile sind ferner da, 
wo sie zusammenstossen, durch kleinere Kunstformen teils begrenzt, 
teils verbunden, deren Profile sich im allgemeinen nach dem zu An- 
fang dieser Darstellung genannten Gesetz richten müssen. Neben den 
einfachen Plättchen-Bekröntlngen der Glieder des dorischen Gebälks 
treten auf die verschiedenen Wellen und das Echinusprofil als eigent-
	        
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