Volltext: System der Künste

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DIE 
ARCHITEKTUR  
schwerfälligen Last an Stelle desjenigen freien Tragens treten: im 
Begriff der Zweckmässigkeit ist zweifellose Zulänglichkeit gefordert!) 
Die konkreten Ideen der nichtnachahmenden Kunst- 
werke gehen hervor aus der Verschiedenheit der äusseren 
Zwecke der Artefakte. Ihre Verwirklichung ist die Aufgabe des 
Baukünstlers im einzelnen Falle, und die künstlerische Gestalt, in wel- 
cher die einzelne Aufgabe gelöst wurde, ist das, was man in der 
Architektur die individuelle Leistung nennen muss, nicht etwa ein In- 
 begriff von seitens des Architekten beliebig zusammengestoppelten 
Kunstformen. Dadurch ist das Auftreten eines subjektiv individuellen 
Stils nicht ausgeschlossen. Bei den Bauwerken geben schon einige 
allgemeine Bestimmungen eine Konkretion der Idee an: die Begriffe 
Gotteshaus, Wohnhaus, Landhaus, Theater u. dergl, welche die orga- 
nische Ordnung bis zu einem gewissen Grade beherrschen; im Übrigen 
kommt die konkrete Gestalt eines Bauwerkes auf Rechnung eines 
vorauszusetzenden individuellen Bedürfnisses des Bauherrn, mitunter 
auch auf Rechnung örtlicher Bedingungen, welche der Künstler zu 
bemeistern hat; man erinnere sich beispielsweise an die Genueser 
Paläste. Wie wir gleich finden werden, hat die künstlerische Willkür 
in der hohen Architektur einen weiten Spielraum, man muss jedoch 
die daraus entstehende Anordnung ästhetisch immer als objektiv be- 
gründet ansehen. 
Die Bedeutung des äusseren Zweckes steigt naturge- 
mäss mit dem Grade der Unselbständigkeit des Gebildes in seiner 
individuellen Existenz, d. h. mit dem Grade seiner Abhängigkeit 
, vom menschlichen Gebrauch.  
Betrachten wir z. B. ein Gefäss zum Handgebrauch, Welches zum 
Kunstwerk erhoben ist, so ergiebt sich etwa folgende Gestalt: Haupt- 
bestandteil ist der Bauch; dieser ist mit einem Henkel versehen; ein 
Hals, der sich nach oben erweitert und vielleicht vorn in eine Dille 
zusammengezogen ist, dient zum Ausgiessen der Flüssigkeit; das 
Ganze steht auf einem unten breiter werdenden F uss. Das Gefass 
wird, abgesehen von der rein formellen Erscheinung, schön sein, wenn 
es alle diese organischen Bestandteile in ihrer Besonderheit aufzeigt 
I) Adamy statuiert (a. a. O. I, S. 54 und passim) ein "Prinzip der ästhetischen 
Freiheit". Wir können demselben nur den im Text entwickelten Inhalt zugestehen, 
aber nicht denjenigen, dass dem Künstler, wo es sich um ästhetische Gesetze han- 
delt, allerlei Ausnahmen und Umgehungen gestattet werden. Ausnahmen können 
immer nur bestehen durch eine Duldung, deren notwendige Bedingung die Gering- 
fügigkeit des Ungesetzmässigen ist.
	        
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