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DIE
VERBINDUNG
DER
MUSIK
MIT
ANDEREN
KUNSTARTEN.
scheint. In beiden Fällen ist jedoch die Musik nachahmende Kunst
im Aristotelischen Sinn (vergl. Westphal a. a. O. S. I5), auf welche
das Kriterium aller nachahmenden Kunst, das Prinzip des Realismus,
Anwendung findet. Dass gerade die Liszfsche Musik unter letzterem
Gesichtspunkt häufig schwach erscheint, war ein Anlass mehr zum
Zweifel an der Fähigkeit der Musik, nachzuahmen.
Nachdem wir der Musik immer nur die Nachahmung einer Ern-
ptindung zugesprochen haben, erübrigt noch die Bestimmung des ästhe-
tischen YVertes der Tonmalerei. Die Nachahmung eines objektiven
Geräusches ist der Musik in den meisten Fällen unmöglich, wenn
nämlich dieses Geräusch nicht selbst Musik ist, wie z. B. das Trom-
petensignal in der Leonorenouvertüre. Andere Geräusche kann sie
nur durch Einkleidung in ihre eigene Formensprache, d. h. also musi-
kalisch stilisiert, nachahmen. Allein echt musikalisch ist nur die Nach-
ahmung einer subjektiven Bewegung des Gemüts, wcil nur in diesem
Fall die Musik unmittelbar spricht. Daher ist die Tonmalerei im
Prinzip zu verwerfen. Indessen wirkt immerhin das Geräusch, mit
welchem ein objektiver Vorgang verbunden ist, subjektiv als Empfin-
dung dieses Vorganges, und insofern haben jene „besonders Wohl-
weisen," welche sagen, die Musik male hier nicht die Erscheinung,
sondern das Gefühl, welches dadurch in uns erzeugt wird, ganz gewiss
Recht. Dadurch allein und nur dann, wenn dies der Fall ist, ist die
Tonmalerei zulässig. Das Gefühl unterscheidet hier gar nicht zwischen
der Objektivität oder Subjektivität des musikalisch dargestellten Vor-
ganges. S0 z. B. geben wir uns keine Rechenschaft davon, und
brauchen uns keine davon zu geben, dass die Einleitung zu
"Rheingold" mit einem durch den blossen Titel des Dramas, ferner
durch die Dekoration, speziell fixierten Tongemälde des Wogens an-
hebt, dass dagegen gleich darauf die Musik zum Empiindungsausdruck
auftretender Personen übergleitet. In Haydn's "Schöpfung" finden
sich vielfach neben Nachahmungen objektiver Geräusche und mitten
unter ihnen andere Gemälde, welche dies keineswegs sein können,
ohne dass dies auch nur bemerkt würde. An der Einleitung zum
I. Akt der Walküre könnte fraglich sein, ob Sturm, Blitz und
Donner oder der Reflex dieser Erlebnisse des gehetzten Siegmund in
dessen Seele, oder der Sturm der Leidenschaften, welchen die vom
Wüten der Elemente begleitete Flucht Siegmunds überhaupt einleitet,
gemalt sein soll. Nach alledem frägt das Gefühl jedoch nicht; ihm
wütet der Sturm zu Leidenschaften. Das Stürmen bleibt dabei das
wesentliche, verknüpfende Element, und dies trifft in solcher Situation
immer zu, 0b gleichzeitig ein objektiver Gewittersturm nachgeahmt