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DIE
VERBINDUNG
DER
MUSIK
MIT
ANDEREN
KUNSTARTEN.
Gewisse griechische Schriftsteller und Dichter, voran Plato, konn-
ten von ihrer Musik als von der ersten und höchsten ihrer Künste
reden. Man muss sich klar machen, was das heissen will, neben der
Plastik und dem Drama der Griechen. Welchen Raum mindestens
musste diese Kunst im ästhetischen Leben des Griechen einnehmen!
Und dennoch stieg einem Aristoteles gar kein Zweifel darüber auf,
dass die Musik eine nachahmende Kunst sei. Inwiefern sie als kos-
mische Kunst bedeutend ist, das konnte "dem Griechen bei der Dürftig-
keit seiner musikalischen Ausdrucksmittel nicht klar werden; von der
Erscheinung der Werke eines Bach, Händel u. s. w. hatte er keine
Ahnung. Aber dadurch wird jene Thatsache nicht in Frage gestellt,
und wieviel näher der Grieche der Natur in ihrer Ursprünglichkeit
stand, als die Menschen des 18. Jahrhunderts, eine soviel elementarere
Bedeutung für das Verständnis des Wesens der Musik hat die Hand-
habung derselben bei den Griechen als diejenige bei den Schöpfern
der modernen Musik.
Dass jene acht Takte der Prometheusouvertüre keine Empfindung
nachahmen, dass an ihnen für sich genommen von einem Gefühls-
inhalt überhaupt nichts zu spüren ist, wird von keiner Seite bestritten
werden. Hanslick war in der Wahl dieses Beispiels viel vorsichtiger,
als in derjenigen der Gluck'schen Arie des klagenden Orpheus; mir
wenigstens ist der Liebhaber, welcher mit dieser letzteren Melodie
hörsinn allein ein Ethos, eine Wirkung aufs Gemüt habe? denn auch ohne Worte
äussere das Melos, der Gesang, diese Wirkung." Die Musik erregt offenbar durch
blosse Tonwirkung, „als spricht ein Geist zum andern Geist." Gesang und Musik
sind eben tönende Seele. Wie beantwortet nun Aristoteles seine Frage? Er findet
den Grund in der Übereinstimmung der Tonempfindung mit den Klangmomentel-L
Die Bewegung der Seele habe Ähnlichkeit mit der Abfolge im Rhythmos. Hierzu
fügt er die wichtige Bemerkung: die Bewegungen seien an und für sich praktische
Wirksamkeiten, und Handlungen die Zeichen, die Kundgebungen, von Seelenbewe-
gung und Gemütsverfassung. Musik und Gesang, folgern wir weiter, wirkt daher so
unmittelbar auf den Leib, wie die Gemütsbewegung, wie die erregte Seele selber.
Rhythmus und Melodie setzen den Leib, wie eine tönende Saite die ruhende, in
gleiche Schwingung. Der Körper mit seinen Gliedmassen reflektirt die Tonwelle,
als sichtbare Bewegung, als Gest, Gebärde. Der Tanz ist die versichtbarte Melodie,
die ursprünglich erste Kunstnachahmung; folglich der oben angeführten Bestim-
mung des Aristoteles gemäss: dass die Seelenbewegungen an sich praktische sind
die erste Nachahmung einer Handlung, als welche, bekanntermassen, derselbe Aristo-
teles die Tragödie, das Dramatische überhaupt, bestimmt. In diesem Sinne betrachtet
auch Platon die Musik als die eigentlich nachahmende Kunst." "Aus dem mime-
tischen Tanz-Gesang (Hyporchem) hat sich denn auch, als seiner Grundform, das
Drama, insofern es Nachahmung einer Handlung ist, thatsächlich entwickelt."