III. um VERBINDUNG DER MUSIK MIT ANDEREN KUNSTARTEN. 147
Musik die Regungen der Seele durch ihre Bewegung und
Harmonienentwickelung unmittelbar. Schopenhauer und
R. Wagner Waren die ersten, welche diese Thatsache theoretisch klar
erkannten. I) Die Musik illustriert sinnlich, was durch Worte "nur be-
zeichnet und durch den Vortrag nur unvollkommen geäussert werden
kann: sie ist nachahmend in derselben Weise wie die körperliche,
mimische Gebärde. So greift der Redner unwillkürlich zum Gestus,
wenn er eindringlicher auf das Gemüt der Zuhörer wirken willß)
Nach R. WVagner ist der letzte Rest des Gefühlsinhalts der Sprache
eines für das praktische Bedürfnis hergerichteten und in seiner un-
poetischsten Abgeschliffenheit zweckmässigsten mechanischen Appa-
rates erhalten in der sogenannten "singenden" Redeweise, welche
mit Rücksicht auf die vollendete Handhabung jenes Apparates im
praktischen Leben mit Recht verworfen wird. (Wagner a. a. O. Bd. IV,
S. 156). Das Gefühl eines Menschen aber, welches er bei der begriff-
lichen Knappheit der Sprache in dieser selbst überhaupt nicht aus-
drückt, kommt zur Geltung in der Gebärde und lebt sich aus in der
Tanzgebärde. Darin bestätigt sich der ursprüngliche innere Zusam-
menhang der Musik und Orchestik mit dem Drama, für welchen in
der Entwickelungsgeschichte des hellenischen Dramas ein schlagendes
und glänzendes Beispiel gegeben istß)
I) Vergl. auch R. Westphal, "Die Musik des griechischen Altertums" 1883, S. 16,
2) Vergl. R. Wagner, "Gesammelte Schriften" IV, S. 133, 219 ff. ("Oper und
Drama"). Und zwar erhellt schon aus dem Satze (S. 242 a. a. „Die Eitelkeit
verführte den Musiker, in der Ouvertüre die Ahnung schon mit absolut musikalischer
Gewissheit über den Gang des Dramas erfüllen zu wollen" dass sein Vertrauen
auf die Ausdrucksfähigkeit der Musik keineswegs soweit gegangen ist, wie man uns
mitunter gerne einreden möchte. Überschätzt hat er die Bedeutung des Stabreims,
welche uns hier gleichgültig sein kann; seine intensive Beschäftigung mit einem
altdeutschen Stoffe, der Nibelungensage, welche diese Formbehandlung allerdings
als sehr gerechtfertigt erscheinen lässt, hatte ihn dazu veranlasst, dem Stahreim eine
allgemeine Bedeutung beizulegen. Die theoretischen Äusserungen des genial schaffen-
den Künstlers darf man nicht auf die Goldwage legen; als Manifestation des Genius
haben sie die höchste Wichtigkeit auch für den ruhiger prüfenden Ästhetiker.
3) j. L. Klein äussert sich über das Verhältnis der Musik zum griechischen
Drama (in seiner "Geschichte des Dramas" S. 75) folgendermassen: „Die Empün.
dung, Seelenbewegung, innere Tonwelle, innere Musik; die Musik tönende Empfin-
dung diese Identität hatte schon die griechische KunstphilosOpllie ausgesprochen.
Platon nennt die Bewegung der Harmonie verwandt mit dem Rhythmus und den
Schwingungen der Seele. Die Musik Sei den Menschen von den Musen als Mit-
streiterin verliehen, um die ungeregelten Bewegungen der Seele zur Ordnung zurück-
zuführen. In den Problemen fragt Aristoteles: "Weshalb von allen Sinnen der Ge-
Iotk