III.
DIE
VERBINDUNG
DER
MUSIK
MIT
ANDEREN
KUNS TARTEN.
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Es käme nicht viel darauf an, wenn man mir in der letzten
Ausführung nicht beipflichten wollte: wenn nur noch ein anderer
ästhetischer Genuss der Musikstücke möglich ist, als die Verfolgung
der Merkmale ihrer zeitlichen Einheit. Ein anderer formell-ästhetischer
Genuss ist aber noch möglich im Anhören der rhythmisch und
wohllautend fortschreitenden Tongebilde. Dabei wird keine
Zusammenfassung des Musikwerkes zur Einheit beansprucht. Einheits-
momente werden dabei auch gefühlt, aber erst im Augenblick ihres
Auftretens und ohne dass ein Zusammenhang auf weite Strecken da-
durch hergestellt werden könnte. Dieses Schöne der Melodie lässt
sich aber ohne Zweifel auch geniessen, während wir dem Zu-
sammenhang von Gedanken folgen, welche in Worten aus-
gedrückt sind. Die sinnliche Erscheinung und der Gedankengang
beeinträchtigen sich gegenseitig erfahrungsgemäss nicht, sondern werden
nebeneinander perzipiert; sonst könnte auch die dichterische Form
nicht gleichzeitig mit dem Inhalt der Gedichte genossen werden. Da-
rauf also beruht die Möglichkeit des ästhetischen Genusses einer
Verbindung von Musik und Rede; sie ist allein dadurch gegeben,
dass es auf eine etwaige Einheit der Musikstücke gar nicht ankommt,
und eine andere Möglichkeit der Verbindung giebt es nicht.
Wir fordern nun aber weiterhin auch einen genügenden Anlass
zur Verbindung der Musik mit der Rede, speziell mit dem Drama,
und ein solcher scheint auf den ersten Blick gar nicht gegeben zu
sein. Indessen bildet die Musik zweifellos eine sinnlich formale
Zierde, deren Anwendung im Drama sich dadurch rechtfertigt, dass
sie die dramatische Begebenheit stilisiert bezw. mit einem negativen
Moment begabt. Der letztere Zweck wird ein für allemal vorliegen
müssen, wenn die Musik in das Drama eingeführt werden soll, denn
sie erzielt jenen Effekt unter allen Umständen. Das Drama stellt
handelnde und redende Personen in der Absicht auf vollständige
Realisierung einer Begebenheit auf die Bühne. Wenn also diese Per-
sonen singen, statt zu reden, und der objektive Vorgang von Musik
begleitet wird, so ist dies offenbar widernatürlich: die Musik wirkt im
können, die niedrigste Stufe der Kunst einnehmen würde. Für uns liegt der wich-
tigste Unterschied zwischen Architektur und Musik vornehmlich darin, dass erstere
so gut wie nicht nachahmt, während letztere, wie wir im Text darthun werden, in
eigentümlicher Weise derart thätig sein kann. Diese unmittelbar nachahmende Thä-
tigkeit aber, welche das menschliche Eznpündungsleben zum Gegenstand hat, bildet
eine Aufgabe der Musik von grösster ideeller Bedeutung, welche allein einen
hohen Rang unter den Künsten für sie bedingt.