DRAMA
UND
DICHTKUNST.
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Maria Stuart bei höchster lyrischer Steigerung der Hahdlung Elisa-
beth in einem historisch genauen jagdkleid des I6. Jahrhunderts auf-
tritt, welches für unsere Begriffe nicht einmal jagdgemäss aussieht und
durch seine Hässlichkeit beinahe ins Komische fällt. Es spricht
hier ein Faktor mit, der besonders berücksichtigt werden muss. Über
die Erscheinungen im Bilde und namentlich auch über die historischen
entscheidet nämlich die Vorstellung der Beschauer, d. h. dasjenige,
was wir alle miteinander für historisch halten und in dieser Meinung
als integrierenden Bestandteil in die sinnliche Idee aufgenommen haben,
aber nicht dasjenige, was uns der Historiker oder der Archäologe als
thatsächlich historisch nachweist. Dieses Verhältnis der Idee zum
objektiven Gegenstand haben die Meininger im Ganzen genommen
nicht genügend berücksichtigt. Wenn dabei nicht häufiger, als es ge-
schehen ist, ein Misserfolg ihrer naturalistischen Bestrebungen eintrat,
so beruht dies auf der Thatsache, dass die historische Bildung heut-
zutage allgemein sehr hoch gestiegen ist und dadurch eine weitgehende
thatsächliche Richtigkeit des Historischen selbstverständlich wird. I)
Dass die Realität der Gesamterscheinung soweit nötig auch mit Rück-
sicht auf ein schwankendes Durchschnittsbild im Geist der Betrachter
erreicht werden kann, ist nicht zu bestreiten, weil es oft genug prak-
tisch bewiesen worden ist. Dies erfordert freilich auf Seite des Re-
gisseurs die Vereinigung des besten Geschmacks und guter historischer
Kenntnisse. Das rein erfundene, idealistische Drama ist hier im Vor-
teil; aber in irgend einer bestimmten Zeit wird es doch spielen müssen,
welche für das Kostüm massgebend ist, insolange es nicht stilisiert
wird.
Damit haben wir eine ausreichende Antwort auf die Frage nach
der Bedeutung der äusseren Erscheinung des Dramas gegeben. Wenn
die Frage seither von den Theoretikern meist in einem der Wieder-
gabe des Äusseren feindseligen Sinne beantwortet wurde, z) so hat sich
I) Alles, was wir hier ausgeführt haben, gilt mutatig mutandis auch von de;
Historienmalerei.
2) So neuerdings von Rudolf Genee in der Münchener Allgemeinen Zeitung
(Beilage Nr. 161 und Nr. 164). Allein auch dieser verdienstvolle Kenner der dra-
matischen Kunst ist, wie aus der Abhandlung hervorgeht, nicht im Besitz einer
deutlichen Erkenntnis der für die Beantwortung der Frage massgebenden Faktoren.
Man kann es ja nur billigen, wenn der missverständlichen Auffassung des Dramas
seitens des Publikums bei fortschreitender Überwucherung des Dramatischen durch
äussere Effekte entgegengearbeitet wird. Allein der Erfolg wird nach wie vor aus-
bleiben, wenn man blos predigt, aber nicht beweist, und mit der Missbilligung zu
weit geht. Dass letzteres auch bei Genee der Fall ist, rührt daher, dass er, gleich
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