Volltext: System der Künste

BESONDERER 
TEIL. 
DIE EINZELNEN 
NAC HAHMENDEN 
KÜNSTE UND DEREN 
VEREINIGUNG. 
EINLEITENDES. 
r. r ACHDEM wir im allgemeinen Teil klargestellt haben, unter 
 welchen Bedingungen die Erscheinungen schön gefunden 
f  werden und wie demgemäss entweder unter Erfüllung 
ä dieser Bedingungen schöne Vorstellungen neu erzeugt 
oder gegebene Gegenstände der wirklichen Welt einfach nachgeahmt 
werden, so kann es sich nunmehr im Wesentlichen nur darum handeln, 
wie die Ideen von beiderlei Art in die äussere Erscheinung versetzt 
werden, d. h. um "Kunstlehre". Wir verfolgen dabei das besondere 
Ziel, die richtige Theorie des Zusammenwirkens verschiedener Künste 
aufzufinden.  
Für die Kunstwerke insgesamt gilt der Grundsatz: Die natür- 
liche Möglichkeit der Erscheinungen im Kunstwerk ist eine 
allgemeine Forderung der Phantasie. Die letztere kann zwar 
von gewissen allgemeinen Bestandteilen der äusseren Erscheinung ganz 
abstrahieren, aber sie kann nicht das, was erscheint, unter 
Verletzung der dafür geltenden Naturgesetze erzeugen. 
Denn" die Erscheinung, wie sie vorliegt, wird als etwas reales an- 
gesehen, die Phantasie kann sich nicht über Bedingungen hinwegsetzen, 
welche sie selbst gesetzt hat. Eben deshalb widerspricht es jenem 
Grundsatz nicht, dass die Phantasie im Zusammenhang von Begeben- 
heiten Geschehnisse fmgieren kann, welche an sich unbegreiflich und 
wenigstens nach unsrer heutigen Kenntnis der Dinge niemals erfahren 
worden sind (Zauberei, Wunder), weil wir nämlich die Möglichkeit 
dieser Geschehnisse schon voraussetzen und dieselben von vornherein 
als ausserhalb der Naturgesetze stehend betrachten. Indessen verwen- 
den wir sie im Drama lediglich symbolisch, etwa wenn der wirkliche 
Vorgang etwas Verletzendes hätte. Durch eine mythische Stimmung
	        
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