DIE
MÖGLICHKEIT
DER
VEREINIGUNG
VERSCHIEDENER
KÜNSTE.
IOI
durch ihre ästhetische Beziehung verschiedene Gegen-
stände, und die Schönheit der körperlichen Erscheinung kann, wenn
wir dem Zusammenhang einer Handlung oder eines Gedankengangs
zu folgen haben, offenbar nur erfasst werden, indem eine Unterbrechung
dieses Zusammenhangs eintritt, d. h. wenn die Eindrücke abwechselnd
in unser Bewusstsein treten können. Die Einheit eines Gedichts z. B.
ruht in seinem Gedankengang. Daher kann der Erscheinung eines
"Bilds, welches vor unsern Augen steht, während wir dem Zusammen-
hang der Gedanken wirklich folgen, keine_ wahre Aufmerksamkeit ge-
widmet werden. Allein der Gedankengang muss in Worten ausge-
sprochen und durch das Ohr aufgefasst werden; und der Zusammenhang
der Momente dieser zeitlichen Erscheinung ist nun allerdings in keinem
Fall ein so enger, dass nicht nebenbei in längeren oder kürzeren
Zwischenräumen auch das Auge thätig werden könnte; wenige und
kurze Augenblicke aber genügen, um das räumliche Bild aufzufassen,
und zwar umsomehr, je unbewegter das Bild vor uns steht und je un-
gestörter das Auge seine Betrachtung fortsetzen kann, nachdem sie
durch die Thätigkeit des Ohrs und eine anderweite Thätigkeit des
Geistes unterbrochen wurde. Letzteres ist namentlich der Fall bei
der feststehenden Umgebung einer Szene, bei der Theaterdekoration.
Wenn endlich wirkliche Pausen in der Handlung oder Rede vorkom-
men, so kann über die Möglichkeit der Auffassung des räumlichen
Bildes kein Zweifel obwalten. Eine wahre Einheit kommt aber erst
zu Stande, wenn die räumliche Erscheinung mit dem Gedankengang
der Handlung zusammentrifft, z. B. wenn der Sprecher auf der Bühne
die Schönheit der gegenwärtigen Landschaft feiert und womöglich in
ihren wesentlichen Punkten beschreibt.
Damit haben wir die eigentliche Schwierigkeit des Gesamtkunst-
werkes erst bezeichnet. Wenngleich eine räumliche Erscheinung sich
in einem einzigen Augenblick" auffassen lässt, so kann diese Art der
Betrachtung, an welche man bei der Verfolgung eines ununterbroche-
nen Gedankenzusammenhangs gewiesen ist, dem selbständigen Wert
eines Bildes doch nicht vollkommen entsprechen. S0 erklärt es sich,
dass von der räumlichen Schönheit nur ein mehr oder weniger all-
gemeiner und undeutlicher Eindruck gewonnen wird, es sei denn, dass
man seine Aufmerksamkeit vom ZuSammenhang der Handlung ganz
abwendet. Der Eindruck wird natürlich ein umso deutlicherer sein,
je geübter derjenige, welcher ihn erhält, in der Auffassung dieses
Schönen ist. Die subjektivillterfassung des Beschauers spielt Valsp
hier auch jQäÄElllC, und das Gesamtmstvväknifördert naturgemäss
eine nach jeder Seite hin vollständige ästhetische Fähigkeit der Ge-