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DIE
MÖGLICHKEIT
DER
VEREINIGUNG
VERSCHIEDENER
KÜNSTE.
lerische Produktionstätigkeit als eine ursprünglich einheitliche das
innere Kunstwerk schaffe, welches sie aber, da die Kunst in der Wirk-
lichkeit sich teile nach der Art, wie sie Erscheinung werden muss,
nur durch die einzelnen Kunstarten in die Wirklichkeit treten lassen
könne. Daher sei das Höchste die Vereinigung aller Künste zu einer
gemeinschaftlichen Leistung. Schleiermacher hat sich dann weiterhin
leider durch den Hang zum Philosophieren (S. I 72) zu dem verwirrenden
Zusatz verleiten lassen, die Künste wollten „in einer Organisation eins
werden," weil das „Gattungsbewusstsein immer das höhere" sei.
In dem Nachweis der Möglichkeit, einen Gegenstand in der T0-
talität seiner Erscheinung zu erfassen, liegt die Bestätigung der T1131-
sache, dass die Kunst die Naturgegenstände ebenso nachahmen kann;
aber, wie ich denke, auch derjenigen, dass dies ihr natürliches, primäres
Verhalten ist.
Eine andere Frage als diejenige, 0b wir verschiedene geistige
und sinnliche Eindrücke einer Erscheinung zusammenfassen, zusammen
wahrnehmen können, ist die, ob wir auch die eigentümliche
Schönheit dieser Bestandteile zusammen erfassen, ob wir
also die Schönheit eines Körpers und seiner Färbung, 0b wir die
Schönheit des Verlaufs einer Handlung und die malerisch schöne Er-
scheinung ihrer Träger zugleich betrachten können. Hier erst würde
es sich um die höchste Art der Vereinigung verschiedener Künste
handeln, wenn nämlich jede auf die ihr eigentümliche schöne Wirkung
ausginge. Wir haben jedoch bei Untersuchung dieser letzteren dar-
gethan, dass es sich dann nicht um die Vereinigung eines spezifisch
Schönen verschiedener Künste, sondern um den gleichzeitigen Genuss
verschiedener Beziehungen der Schönheit einer Erscheinung handelt.
Man darf wohl von vornherein annehmen, dass, wenn wir schon
einmal zwei räumliche Eindrücke eines Gegenstands, wie Färbung und
Form, zusammen erfassen, auch die Schönheit dieser verschiedenen
Eindrücke zugleich genossen werden kann. In der That erscheint auch
in der Natur das plastisch Schöne in voller Kraft, obgleich es dort
stets mit Farbe umhüllt ist, und wenn diese Färbung auch eine schöne
sein sollte. Andrerseits kann ein plastisch schöner, farbig hässlicher
Körper ebensowenig vollkommen schön genannt werden, wie ein farbig
schöner, in Form und Zeichnung aber hässlicher Anblick. Es lässt
sich daher annehmen, dass die antiken Skulpturen nicht blos farbig,
sondern auch möglichst schön gefärbt waren. So einfach, wie in
diesem Fall, liegt die Sache nun weiterhin aber doch nicht. Die
Schönheit der Erscheinung der körperlichen Träger einer Handlung
und der Zusammenhang dieser letzteren sind strenggenommen zwei