Volltext: System der Künste

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III. 
DER 
STIL. 
Anforderungen des verwendeten Bildstoifs vollkommen gerecht ge- 
worden ist. So der Sprachgebrauch. Und wir sind schon deshalb zu 
der Annahme berechtigt, dass er die Thatsachen erschöpft, weil andern- 
falls das Bedürfnis anderer Bezeichnungen und Verwendungen derselben 
zwingend hervorgetreten wäre. 
In unserm so sehr auf wissenschaftliche Untersuchung gerichteten 
Zeitalter gelangt man nicht selten dazu, die Erscheinung der Subjek- 
tivität des Künstlers an den Kunstwerken zum ästhetischen Gegenstand 
zu erheben. Diese Auffassung hängt genau zusammen mit der Ab- 
weisung des Naturschönen, in welchem sich keine künstlerische Sub- 
jektivität zeigt. Es ist nun zwar gar keine Frage, dass die Kunstwerke 
ebensosehr kulturgeschichtliche Monumente der Auffassungs- und Dar- 
stellungsweise und der Ideale ihrer Urheber, wie sie Monumente der 
dargestellten Gegenstände sind. Allein wenn wir sie so betrachten, so 
sind wir in einer kunst- oder kulturgeschichtlichen Untersuchung be- 
griffen, aber keineswegs in ästhetischer Anschauung. Für die letztere 
giebt es nach dem Gesetz der Identität schlechterdings nur eine einzige 
Idee, und wenn dieselbe erreicht ist, so verschwindet jede fremde Sub- 
jektivität. Dagegen können wir allerdings auf jenem Wege die fremde 
Subjektivität antezipieren und zum reinen Schönheitsgehalt der Werke 
eines Künstlers durchdringen. Dass wir uns aber mit seiner Person 
beschäftigen, dazu liegt doch nur dann eine genügende Veranlassung 
vor, wenn schon Momente des Schönen an seinen Werken mit hin- 
länglichem Gewicht aufgetreten sind. Manche gelangen jedoch in der 
Verehrung eines Meisters bis zur Wertschätzung des Manierierten und 
der künstlerischen Schrulle. 
Das Ziel der Kunst ist Schönheit. Soweit aber zu diesem 
Zweck die Natur nachgeahmt wird, soll sie der Künstler 
einfach so nachahmen, wie er sie sieht und wie sein Ma- 
terial es gestattet, und sich nicht durch das scheinbar oder, in 
Wirklichkeit andere Verfahren von anerkannten Meistern irre machen 
lassen. Es ist unglaublich, wie viele Mühe und Zeit von Künstlern 
auf Irrwegen verschwendet wird, weil sie sich hierüber nicht klar oder 
Weil sie in dieser Überzeugung nicht fest sind. Der subjektive Stil 
eines Meisters, und sei er auch der grösste, ist nicht schlechthin muster- 
gültig; mustergültig ist er allein durch seine Übereinstimmung mit all- 
gemeinen und okjektiven Gesetzen des Darstellens. Darum wird häufig 
genug die Schule des grossen Meisters verhängnisvoll für den Schüler 
werden, falls dieser nämlich sich mehr von jenem aneignet, als die 
reine Meisterschaft, d. h. falls er den Druck des individuellen NVesens 
des Meisters nicht zu überwinden vermag. Aus_ demselben Grunde
	        
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