56 S. 48. Aristoteles stellt die Demut oder Mikropsychie wie den Hochmut
oder die Megalauchie als Fehler gegenüber dem Stolz oder der Megalopsychie
dar. Nikomach. Ethik 4, 9.
57 S. 50. Dieses für das Verständnis des ganzen Glyptothek-CYykltis wesent-
liche Gesetz ist im Heroensaal niemals, immer dagegen im Güttersaal verkannt
worden. Alle Erklarer verfolgen dort allein oder vorzugsweise die vertikale
Richtung von oben nach unten und lassen die horizontale Richtung von der
Linken zur Rechten fast ganz außer Acht, wie sie auch die Erklärung mit dem
zweiten Gewölbeviertel anstatt mit der über dem Eingang stehenden Abteilung
beginnen. Dadurch wird nicht nur die äußere Uebereiustimmung der drei Raume
unter einander gestört, sondern auch der geistige Zusammenhang der Komposition
zerstückt. Man kann auf diese Weise die eigentümliche Formensprache, die
Gestalten- und Bilderschrift des Cornelius wohl entziüern und syllabieren, nicht
aber ihren Satzbau lesen und verstehen.
5" S. 52. Wie Cornelius im Göttersaal nur den Sagenstoff aus I-Iesiods
Theogonie schöpfte, so verfährt er auch im Heroensaal mit der Ilias Homers;
und wie er schon dort, abgesehen von Goethes Faust (Anmerkung 43), itschyleische
Gedanken aussprach, so folgt er hier fast ganz der Oresteia des Aeschylos,
besonders dem l. Chorgesang des Agamemnon, und zwar so, wie dieser nach
der Textes-Recension Gotfried Hermanns von Wilhelm von Humboldt übersetzt
worden war. Dies erhellt aus folgenden Gründen; l. Während der Zorn und
die Verherrlichung des von Agamemnon gekrankten Achilleus den Mittelpunkt
des Epos bildet, wird die Vergeltung der Priamidenschuld von Aeschylos und
Cornelius als Kern der Troja-Sage aufgefaßt. Aus diesem ethischen. Gedanken,
den Cornelius bei Aeschylos vorgebildet fand (Agam. 108 112; Choeph. 936
bis 940), erklärtes sich, a) daEs Achilleus, der Held der Ilias, im ersten Bilde
nehen den Atriden, als den Vollstreckern des göttlichen Strafurteils, erst in
zweiter Linie erscheint, und sein Entscheidungskamlyf vor Troja im zweiten
Bilde bloß angedeutet ist; b) daß der IIntergaug 'l'rnjas im dritten Bilde den
Schlußpunkt der malerischen Komposition bildet, während in der Ilias dieses
Ereignis wegfallt und erst in Episoden der Odyssee (VIII, 492. IV, 271) erzählt
wird. 2. In der Ilias ragt Agamemnon an Macht über alle Fürsten und Führer
hervor und ist als Heerkönig anerkannt (Il. II, 197. IV, 401. IX, 96); der mild
gesinnte Menelaos (Il. VI, 37) aber tritt neben seinem herrischen Bruder
(Il. I, 185) ebenso zurück, wie der edle Achilleus in den Bildern des Ciornelius.
Aeschylos hingegen zeigt immer beide Atriden in der gleichen Machtfülle "als
die zwiethronige Kraft der Achäer, als die zwei einmütigen Führer des Heer-
zugs", als die beiden bedeutungsvollen Geier (Agam. 104-132). Auf diese
Weise sind sie auch von Cornelius in dem Antaugs- und Eudglied der dritten
Bilderreihe dargestellt worden. Endlich ist in diesen Bildern der besondre
Umstand hervorzuheben, daß jene hiachtstellung der beiden Atriden nicht, wie
bei dem homerischen Agamernnon (Il. II, lUl) durch den Herrscherstab aus-
gedrückt wird, sondern mit auffallender Absichtlichkeit beiden der Speer in
die Hand gegeben ist. Dadurch wird bestimmt auf den „vnllstreckenden Speer