Den Stolz schätzten die Griechen ebenso hoch, als sie den Hochmut
haäten. Stolz, d. h. das Bewußtsein des Verdienstes oder des
wahren Wertes der Person ist der Kern der antiken Gesinnung
also nicht mehr als Stolz, aber auch nicht Weniger als der
Stolz der Gerechtigkeit.
Den Schluß des ganzen Göttercyklus bildet das Hautrelief
Schwanthalers, das sich unter dem letzten Hauptgemalde laefindet:
die selige Wiedervereinigung der Psyche mit Amor, nachdem sie
zur Strafe für ihren Vorwitz von ihm getrennt worden war. Zu-
nächst tritt diese Gruppe in Beziehung zum letzten Gemälde. Wie
Herakles durch kräftiges Thun sich den Himmel erwirbt, so Psyche
durch hartes Leiden; denn alle Mühsale, die sie während ihrer
Trennung erduldet, sind nicht bloß eine Strafe, sondern ein Läu-
terungsprozefä ihres Strebens, da sie den Gegenstand ihres Strebens
treu im Gemüte festhält und dadurch ihr Glück verdient. Allein
die Stelle, welche diese Gruppe im Zusammenhange des Ganzen
einnimmt als das Endglied aller drei Bilderreihen, macht es notv
wendig, die Bedeutung jener beiden Gestalten zu erweitern und
dadurch den Sinn der Gruppe selbst zu vereinbaren mit dem Ti-
tanencyklus und dessen Mittelpunkt der antiken Komposition
von der Erschaffung und Beseelung des Menschen durch Pallas
Athena und Prometheus. Psyche mit ihren Schmetterlingsflügeln
ist die vernünftige Menschenseele und Amor im Verein mit Psyche
ist die göttliche Liebe als der wahre Gegenstand ihres Strebens,
und der ganze Reichtum der Komposition, der mit dem Titanen-
cyklus anhebt und in den drei Bilderreihen des Göttersaales sich
immer klarer und tiefer entfaltet, schließt sich, gleich der lntro-
duktion und den drei Sätzen einer großen Symphonie, in den
Grundgedanken zusammen: die göttliche Liebe, welche zuerst im
Makrokosmos der Elemente als weltbildendes Licht erscheint,
wieder-scheint in dem sinnlich-geistigen Mikrokosmos der Menschen-
seele als das Himmelslicht der Vernunft; es läutert sich aber von
den Schlacken der sinnlichen Liebe und strahlt wieder im reinen
Glanze der Liebe des Schönen-Guten der platonischen Kalo-
kagathie.