in Arions Hand „lebt", im Gegensatz zur Einförrnigkeit des Natur-
schönen. Denn die rhythmische Formenfülle und Lebendigkeit" der
melischen und chorischen Arten der griechischen Lyrik schmiegt
sich ebenso biegsam jedem Wechsel des lyrischen Gefühls und
Gedankens an, wie die Welle dem Windhauch folgt, der über den
Meeresspiegel gleitet. Ebenso ist die Göttin der sinnlichen Formen-
schönheit, Aphrodite, in dem Basrelief über dem Gemälde dar-
gestellt, wie sie aus dem Schaum des Meeres emporsteigt. Die
schönen Gruppen der Meergötter endlich, Poseidon und Amphitrite,
die Tritonen und Nereiden veranschaulichen die geistig-sinnliche
Empfänglichkeit der anthropomorphischen Götterwelt für die Schön-
heit der menschlichen Kunst. Alles zusammen genommen bezeichnet
die Schöpfung und den Genuß des Kunstschönen durch die göttlich-
menschliche Intelligenz.
Das dritte und letzte Wandgemälde des Göttersaales hat zum
Gegenstand den Typus der allgemeinen Menschenwürde, die ver-
nünftige Liebe zur edeln, kräftigen That und deren Belohnung
durch die göttliche Gerechtigkeit. lhr idealer Gehalt liegt in der
Wahren Würde des Endzweckes, den die menschliche Intelligenz
dem YVollen und Handeln setzt; ihr realer Gehalt ist die That-
kraft des menschlichen Strebens, welche die Hindernisse in der
äußern Natur und in der natürlichen Willkür der Menschen besiegt
und das ewige Gesetz des Rechtes und der Sitte erfüllt. Die
vollendete sittliche That ist das Ebenmaß jener Faktoren, Vernunft
und Wille, und erwirbt den wohlverdienten Lohn. Herakles, die
größte Gestalt unter den griechischen Heroen, hatte auf Erden
unermüdlich gewirkt, um einer vernünftigen Lebensordnung den
Boden zu bereiten: er hatte die ungeschlachten Riesen und Wege-
lagerer bezwungen, den Antäos, Kyknos, Geryoneus; er hatte die
wilden Stämme der Lapithen und Centauren bekämpft, und in der
äußern Natur die Hindernisse menschlicher Arbeit überwunden,
die Herden verschlingenden Üngetüme: den nemäischen Löwen,
die lernäische Schlange, den erymantischen Eber, die Menschen
fressenden stymphalischen Vögel. Die Götter sogar hatten den
furchtbaren Giganten nur mit seinem Beistand obgesiegt. Zum
Lohn für seine Großthaten tritt jetzt Herakles in den olympischen
Götterkreis. Festlich versammelt scharen sich die seligen Götter