Volltext: Der Humanismus in der Kunst

inmitten von Tieren, z. B. auf einem vatikanischen Sarkophag 
neben einem Esel und Stier sitzend; nach einer Version des Mythos 
nämlich nahm Prometheus Bestandteile von Tierseelen und fügte 
sie seinem Thongebilde des Menschen ein? Darin liegt eine sinnige 
HiüwßiSung auf die vertierende Natur des sinnlichen Empfindens 
und Begehrens, sofern es nicht von dem vernünftigen Maße des 
Gesetzlichen, Göttlichen gebändigt und geleitet wird. 
Die in Rom vorhandenen Reliefdarstellungen der hellenischen 
Sophrosyne weisen insgesamt auf ein griechisches Originalwerk 
hin, das mit der platonischen Tugendlehre in ihrer einfachen 
Gestalt des platonischen Staatsmanns in der engsten Berührung 
stand, und dieselben Gedanken, die Platon philosophisch entwickelte, 
in der einfachsten Sprache der Kunst mythisch ausdrückte. Mit 
dieser wesentlichen Beziehung des Inhalts verknüpft sich eine 
äußere, lokale Beziehung der platonischen Lehre und Schule. Ein 
attischer Lokalkultus verband die olympische Landesgottheit Pallas 
Athena mit dem Titan Prometheus, und diese gemeinschaftliche 
Kultstätte war der Platanen- und Olivenhain des attischen Heros 
Akademos, wo Platon lehrte, und woher seine Schule den Namen 
Akademie erhieltfn So wird der engste Zusammenhang zwischen 
dem in der plastischen Komposition dargestellten Mythos und der 
platonischen Philosophie äußerlich und innerlich nahe gelegt und 
die Vermutung begründet, daIä das Original der späten römischen 
Nachbildungen in den Mittelpunkt und die beste Zeit der griechischen 
Bildung zurückweicht. Die in Rom aufbewahrten Basreliefs stammen 
jedenfalls erst aus der Zeit der Aufnahme der griechischen Kultur 
durch die Römer, als jüdisch-christliche Traditionen mit griechischen 
Mythen dergestalt Zusammenschmelzen, daß auf demselben Sarko- 
Phag alttestamentliche Motive vom Stindenfall und die Menschen- 
Schöpfung durch Prometheus und Pallas abgebildet wurden. In 
der Zeit der römischen Imperatoren und schon während des Unter- 
gangs der Republik trat die griechische Idee der Sophrosyne in 
schroffen Widerstreit mit der römischen Denkweise. Cicero rechnete 
sie zu den griechischen „Parad0xa", und Juvenal verkehrte sie in 
ihr gerades Gegenteil, in die Willkürfreiheit der Cäsaren; er fand 
für sie den bekannten schneidigen Ausdruck, der in unsern Tagen 
von einem höchst autoritären, kaiserlichen und königlichen Munde
	        
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