Aber wie weit die Fähigkeit des Kindes reicht,
ein Werk der bildenden Kunst nachzuempfinden,
wann sie beginnt, wie sie sich entwickelt, ist, so;
weit mir bekannt, noch ein ziemlich unerforschtes
Gebiet.
Für die Musik mag man über ein ausreichendes
Material verfügen. In der Litteratur fangen die
hamburgischen Lehrerkreise gerade erst an und
soviel ich weiss, sind sie die ersten praktische
Versuche zu machen, wie weit die Kinderseele an
den Erzeugnissen der Dichtung Gefallen findet.
Dass Neigung und Kraft weit hinausgehen über die
Bewältigung der Bruchstücke, die das Lesebuch
bisher enthielt, dass umfangreichere Werke der
ernsten Dichtung beim Kinde auf empfinglichen
Boden fallen, scheint danach nicht zweifelhaft.
In der bildenden Kunst müssen uns mannig-
faltige und von verschiedenartigen Persönlichkeiten
unternommene Versuche erst orientieren. Es ist
gewagt, aus Kindheitserinnerungen eines Einzelnen
allgemeine Schlüsse zu ziehen, die mehr als das
Selbstverständliche lehren.
Niemand wird erwarten, dass man aus dem
Kinde einen Kunstkenner machen kann, oder dass
es in der Kunstbetrachtung ein Klassenziel giebt,
das alle erreichen können. Mehr als auf vielen
anderen Gebieten spricht hier die besondere Be-
gabung, die angeborene Empfänglichkeit mit.
Die Betrachtung soll zunächst das Interesse er-
wecken und das Kind lehren und gewöhnen, genau