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dürfnisse geschaffen haben, die immer erneuten
Bemühungen einzelner Kunstfreunde legen von der
grossen Kraft des Bodens, Kultur zu tragen, ent-
scheidendes Zeugnis ab. Wir verstehen diese
Zeichen als Glieder einer weit zurückreichenden
Kette, werm wir uns erinnern, dass die Patriotische
Gesellschaft um die Mitte des vergangenen jahr-
hunderts gegründet wurde, dass fast hundert Jahre
vorher Bürger Hamburgs sich zusammengethan
hatten, um das erste Opernhaus modernen Stils in
Europa zu bauen, das der deutschen Oper die
erste Möglichkeit der freien Entfaltung bot und in
der That die erste Blütenepoche dieser Kunst-
gattung unter Reinhold Kaiser herbeiflihrte, und
wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Rolle das
Hamburger Theater in der Entwickelung der deut-
schen Litteratur gespielt hat.
Aber es fehlte im geistigen Leben Hamburgs
bis in die neueste Zeit ein Faktor, den ein Ge-
schlecht, das Neues gestalten möchte, gering zu
schätzen pflegt, der aber allein die Kontinuität eines
gesicherten Besitzstandes verbürgt, die Tradition.
Die Geschichte der Kultur in Hamburg bietet
dasselbe Bild unendlicher Umgestaltungen und Neu-
bildungen wie die des Erdbodens und der Familien.
Grosse Vermögen werden schnell aufgebaut und
sinken, wenn die Kraft des Begründers zurück-
getreten und kein ebenbürtiger Nachfolger vor-
handen ist, ebenso schnell in Trümmer. jeder
Einzelne, jede Generation hatte von vorn zu be-