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Sie werden längst im Stillen den Einwurf an mich
gerichtet haben: „Das ist alles recht gut, aber wie
steht es um die Bildung der Lehrer? Denn sie müssen
doch zuerst in sich aufgenommen und verarbeitet
haben, was sie weiter verbreiten sollen. Und in der
Lehrerbildung hat bisher die Kunst keine Stelle
gehabt."
Die Verwaltung der Kunsthalle hat diese
Schwierigkeit vorausgesehen und wird für den ge-
samten oben dargelegten Stoff mit Einführungskursen
für die Lehrer den Anfang machen. Mit der Ober-
klasse der Seminaristen ist dies bereits geschehen.
Grossen Wert legen wir auf die künstlerische
Erziehung der Frauen. Man hat mich oft gefragt,
0b es mir bei meinen Vorlesungen in der Galerie
Befriedigung gewähre, vor einem Publikum zusprechen,
das zu zwei Dritteilen aus Frauen bestände, und
jedesmal erregte meine bejahende Antwort ungläubiges
Erstaunen. Man pflegt den Drang nach eigener
Bildung, der seit einigen jahrzehnten die Frauen-
welt ergriffen hat, nicht ernsthaft zu nehmen. Aber
man sollte die Bedeutung dieser wichtigen Er-
scheinung nicht verkennen. Es ist doch ohne
Weiteres klar, dass die Frage unserer Frauenerziehung
für die Bildung der künftigen Generation von der
höchsten Wichtigkeit werden kann. Sollte es sich
da nicht empfehlen, dass wir, statt zu spotten und
den Dingen ihren Lauf zu lassen, den Bildungseifer
der Frauen als den kräftigen Hebel erkennen? Denn
alle Neigungen, welche heute die Frauen annehmen,