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geben. Nun kostete aber das Original sechs- bis
achthundert Franken. Dass bei uns derartige
Leistungen nicht möglich sind, liegt nicht an den
Handwerkern: die vorzüglichsten Buchbinder in Paris
waren bis vor Kurzem Deutsche oder hatten deutsche
Arbeiter. Am Publikum liegt es, das keine An-
forderungen zu stellen vermag. Wer tausend Mark
für einen Band ausgiebt, der weiss auch zu schätzen,
0b er für sein Geld bekommt, was er beanspruchen
kann. Verstehen Sie mich nicht falsch; ich will Sie
nicht zu Extravaganzen verführen. Bedenken Sie
aber das eine: diese höchsten Leistungen bestimmen
das Durchschnittsniveau. In Frankreich hat der
Buchhandel es noch niemals wagen dürfen, die
Millionen barbarischer Calicotbände in schreienden
Anilinfarben mit wilder Vergoldung auf den Markt
vzu werfen, in deren Gewand wir unsere Klassiker
selbst in den reichsten Häusern antreffen. Das mindeste
ist bei unseren Nachbarn der Band, den wir Halb-
franz nennen, jede gute Bibliothek ist, wie vor
hundert Jahren auch bei uns, ganz in Leder ge-
bunden. Dies ist nur ein Beispiel. Aehnliches gilt
von allen Gebieten der Industrie und auch von der
höheren Kunst. Mag nun auch unsere Sitte, den
nicht für voll anzusehen, der in keiner Berufsarbeit
thätig ist, für die ethische Entwickelung eine
tüchtigere Basis abgeben, so lässt sich doch nicht
leugnen, dass der berulslose vornehme Franzose als
Liebhaber und Sammler sich einer Arbeit unterzogen
hat, die unter andern Lebensverhältnissen nicht ge-