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ist, glaube ich, weder Ziererei noch böser Wille,
wenn sie sich schliesslich mit der Bemerkung ab-
findet: „Das ist nur etwas für reiche Leute." Sie
spricht in gutem Glauben aus der Überzeugung,
dass nur der allergrösste Besitz eine Ausgabe für
die Kunst rechtfertigt. Es fehlen ihr eben Ver-
ständnis und Bedürfnis. Als Französin würde sie für
eine schön ciselierte Kamingarnitur zwanzigtausend,
für einen bronzenen Kronleuchter dreissigtausend,
für ein Schränkchen mit den vornehmsten Bronze-
beschlägen sechzigtausend Franken ausgeben.
Glauben sie wohl, dass die Zahl derjenigen, die in
Deutschland nur ein Urteil über dergleichen Dinge
haben, sehr gr0s_s ist? Glauben Sie, dass Sie bei
uns ein Werk der Art bestellen könnten und für Ihr
Geld das entsprechende Mass Kunst und ehrliche
Arbeit bekämen? Sie werden mir sagen, man sei
reicher in Frankreich. Das ist wohl der Fall, aber
auch wir sind nicht mehrso arm, nur fehlt unserm
Reichtum die Überlieferung, und dann haben wir
in allen Ständen einen Mangel an richtiger Ökonomie
zu beklagen.
Dass es bei uns nicht von jeher so schlimm
stand, mag uns mit Trauer über den Verlust erfüllen,
giebt uns aber zugleich die Hoffnung für die Zukunft.
Freilich haben wir noch einen weiten Weg zurück-
zulegen, ehe wir uns mit den Franzosen zu messen im
stande sind. Es lässt sich eben im Handumdrehen die
Gewöhnung nicht schaffen, die in Frankreich nun
bald zweihundert Jahre ohne Unterbrechung dauert.