Wir hatten dann seit den Dreissiger Jahren in
Deutschland, einem sehr armen Lande die
eigentümliche Erscheinung einer hohen geistigen
Kultur, der das künstlerische Element so gut wie
gänzlich mangelte. Die Interessen gingen auf die
Gründung der positiven Wissenschaft, auf Philosophie,
Litteratur und Musik. Die bildende Kunst wurde in
den Bann der Philosophie gezwungen und bildete
eigentlich nur einen Anhang an die literarisch-philo-
sophische Bewegung, wenigstens die sogenannte hohe
Kunst. Die heutige deutsche Kunstbildung ist noch
wesentlich ein Produkt dieser Zeit. Das Kunstwerk
soll in erster Linie etwas zu denken, etwas zu erraten
aufgeben. Damit fallt zusammen die noch nicht
überwundene Verachtung aller technischen Voll-
endung. Wir dürfen bei der Betrachtung gegen-
wärtiger Kunstzustände nie vergessen, dass wir eine
Epoche hinter uns haben, in der gerade die grössten
Künstler alles technische Können als eine Erniedrigung
der Kunst ansahen, die ihre Wurzeln nicht in die
Erscheinung, sondern in den Gedanken senden sollte.
"Die Künste hab' ich verachtet", sagt Cornelius und
meint damit nicht etwa Virtuosität und leere Technik,
sondern schlechtweg das Malenkönnen. Wir tragen
jetzt schwer an den Folgen dieser Abkehr von der
Erscheinung, denn wir haben die Fähigkeit, anzu-
schauen, ganz eingebüsst. Der gebildete Deutsche, der
sich in englischer und französischer Gesellschaft be-
wegt, fällt sofort durch seinen Mangel an Anschauungs-
vermögen auf. Er ist sozusagen kunstblind. Er sieht