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anderes Publikum würde unsere Ausstellungen be-
suchen! Es herrscht ein ungeheurer Abstand zwischen
den K0nzert- und den Ausstellungsbesuchern. lm
Konzert lauter Verstehende mit umfassender dilettan-
tischer Fachbildung, kräftig, dem Flug des Genius
bis in die höchsten Regionen zu folgen, bereit zu
unbefangener, andächtiger Hingabe und zu jauch-
zender Begeisterung entzündbar; in der Ausstellung
lauter halbblinde kleinliche Nörgler mit ungeheuren
Ansprüchen, vollkommen unfähig, sich hinzugeben
und immer zu allererst zur Kritik aufgelegt.
Auch in den bildenden Künsten würde der
Dilettant, der jede höhere Leistung ehrfürchtig zu
würdigen weiss, das hingebendste Publikum aus-
machen und zugleich für seine ganze Umgebung
ein Anregungszentrum bilden. Aber während heut-
zutage die musikalische Erziehung unentbehrlich er-
scheint, geschieht für die bildende Kunst fast gar
nichts. Für hundert Kinder, die mit sieben jahren
ans Klavier gespannt werden, bekommt wohl nicht
eins privatim Zeichenunterricht. In England legt
man auf dilettantische Ausbildung in den bildenden
Künsten mehr Gewicht. Man kann fast behaupten,
dass jeder gebildete Engländer zeichnen kann.
Dort hängt, wie in der Musik bei uns, der Künstler-
stand unmittelbar mit dem Dilettantismus zusammen.
Einer der hervorragendsten Radierer hat sich aus
dem Dilettantismus entwickelt.
Bei
Niveau
alledem beginnt doch in Deutschland das
im Verständnis der bildenden Künste lang-