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Wohl bringt der Künstler die Kunst hervor, aber
doch nur etwa wie die Saite den Ton. Kraft und
Halt giebt ihm erst der Resonanzboden, der ihn
aufnimmt, in Mitschwingung gerät und ihn dem Ohr
in weicher Fülle zuströmt. Zu oft waren grosse
Künstler in unserm ]ahrhundert einsam schwingende
Saiten. Auch die erziehliche Kraft des Kunstbesitzes
in der Familie, auch seine Eigenschaft als nationale
Schatzkammer für die Zukunft lehrt die Betrachtung
dieser gewählten Sammlung. Und wenn das Moment
der Ehre auch für das Gemeinwesen, für den Staat
ins Gewicht fällt, und wer möchte das leugnen?
dann ruht ein Teil des Ansehens, dessen sich unsere
Vaterstadt erfreut, auf dem Vorhandensein be-
deutenden Kunstbesitzes im Bürgerhaus.
Dem modernen Staat und den von ihm ein-
gesetzten Pflegern der Sammlungen moderner Kunst
predigen die vornehmen Privatgalerien am Ende
unseres Jahrhunderts eine laute Mahnung und halten
ihnen ein leuchtendes Vorbild vor Augen, das sie
zurückführt auf die Grundsätze, nach denen im
sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert
die grossen historischen Galerien angelegt sind. Nicht
die öffentlichen Galerien haben in unserem jahr-
hundert die grossen Traditionen der kunstliebenden
Fürsten fortgeführt, sondern die Privatsammler, und
ihnen wird deshalb die Nachwelt denselben Rang
in der Geschichte der Kunst unserer Zeit anweisen,
wie den fürstlichen Pflegern der Kunst in ver-
gangenen Zeitaltern. Dass wir Hamburger einen