141
die Künstlernamen in Vergessenheit. Der Führer weiss
sie nicht, und bei den trostlosen Machwerken fragt
niemand mehr danach. Die Brustbilder der letzten
Inhaber des erzbischöüichen Thrones sind offenbar
nicht nach der Natur, sondern nach retouchierten
Photographien gemalt.
Die drei allerletzten der Reihe sind dann über-
haupt nicht mehr gemalt worden, sie hängen in
blanken Photographien da. Auf Befragen erklärt der
Führer, dass in der sehr wohlhabenden Stadt, die
zweihunderttausend Einwohner zählt, Bildnismaler
nicht mehr existierten. Die letzten Ölbilder wären
von einer Mallehrerin nach Photographien angefertigt.
Seit die würdige Dame, die Nichte des drittletzten
Kardinal-Erzbischofs, verstorben sei, würden keine
Bildnisse mehr gemalt.-
So ist die Kunst, die in alten Zeiten eine Stellung
am erzbischötlichen Hof hatte, auch hier der Photo-
graphie gewichen. Statt des Hofmalers müsste es
einen Hofphotographen geben, und vielleicht führt
einer der Lichtbildner der Stadt wirklich diesen Titel.
Was hier eng zusammengedrängt die geschlossene
Sammlung von Bildnissen der Erzhischöfe offenbart,
spielt sich ganz gleichlaufend in der unendlich umfang-
reicheren Sammlung von Bildnissen deutscher Hand-
werkermeister ab, die das städtische. Museum in Ulm
aufbewahrt. Aus vier jahrhunderten sind die Bild-