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blätter nicht viel Dank. Schliesslich hiess es geradezu,
man scheue sich, die Kunstblätter als Zimmerschmuck
zu verwenden, die in derselben Stadt und Provinz
über tausenden von Sophas hingen. Es musste denn
schon der sachliche Inhalt besonders willkommen
sein, wie bei den Bildnissen der Gründer des Reichs
und den drei Ansichten aus Hamburg, die der Ham-
burger Kunstverein in den letzten Jahren gebracht hat.
Man will heute selber wählen, will nur das be-
sitzen, was dem persönlichen Geschmack entspricht.
Und der Kunsthandel, der in den zwanziger Jahren
in Deutschland sich mit der lebenden Kunst nur in
letzter Linie befasste, bringt eine solche Fülle von
Stichen, Radierungen, Lithographien und auf der
Grundlage des Lichtbilds hergestellten Blättern für
den Wandschmuck, dass das Bedürfnis fast über-
sättigt erscheint.
Das Publikum hat heute wieder die Neigung,
Originalwerke zu besitzen. Als besonderer Zweig ist
die Nachbildung berühmter alter Kunstwerke am
Baum der Kunst fast verdorrt; und eine Unzahl von
Künstlern beschäftigt sich mit der Originalradierung
und der Originallithographie.
Aber das Publikum will immer noch erst nur
Bilder für die Wand. Es sammelt Blätter für die
Mappe noch nicht wieder, höchstens Postkarten und
Liebigbilder. Der Sammler bildet immer noch eine
verzweifelt seltene Ausnahme. Um zum Sammeln
anzuregen, haben sich Künstler seit einem Jahrzehnt
zu Radierervereinen zusammengeschlossen. Sie geben