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Gemächern gefangen sass, dessen Lebenszweck
das Wort Auftreten bezeichnet, die vornehmste
Dekoration des fürstlichen Hofhalts, und als solche
in Tracht und Gebaren ganz auf das Schauge-
präge zugeschnitten. Hohe Hacken, Wallende
Perücke, Spitzen, seidene Röcke, Schmuck und
Edelstein lauter Dinge, die der Holländer um
1650 aus seiner schwarzen Tracht verbannt hatte
näherten die Tracht des Mannes der Damen-
toilette. Und so wurde auch das Bildnis ein Re-
präsentationsstück , Repräsentation macht den
Inhalt des Bildnisses wie des Lebens aus.
Das achtzehnte Iahrhundert geht einen
Schritt Weiter: es malt die Herzoginnen und
Marquisen halbnackt in Wolken als Diana. oder
Venus, denn das Leben, das ausgedrückt werden
sollte, War ein üppiges Spiel geworden.
In der Revolution wurde dieses Geschlecht
hinweggefegt. Der fürstliche Zuschnitt des Lebens
verbiirgerlichte sich, und damit hatte die Kunst
eine neue Unterlage. Kurze Zeit wurde dieser
bürgerliche Zug durch das heroische Intermezzo
des ersten Kaiserreiches unterbrochen, das auch
dem Bildnis seinen Stempel aufdrückte.
Unterdes hatte in der zweiten Hälfte des
achtzehnten llähfhlllldefllS die englische Kunst
sich erhoben und in den Bildnissen Sir Ioshua
Reynolds und Gainsboroughs das herrliche, hoch-
kultivierte, selbstbewusste Geschlecht der eng-
lischen Aristokratie, die schönste Rasse der heu-
tigen Kulturwelt, geschildert, bei ersterem in