mit eigenen Mitteln auszudrücken, und jede
kommt so weit, wie ihre Kraft und Kultur reicht.
Die neuere Bildnismalerei beginnt mit der
Morgenröte der heutigen Kultur fast gleichzeitig
in Italien und im Norden. Am interessantesten
sind die Anfänge in der blendenden nordischen
Renaissance der Niederlande zu Anfang des fünf-
zehnten Jahrhunderts. Der erste Bildnismaler,
der die äussersten Grenzen seiner Kunst ermessen
hat, ist Jan van Eyk.
Er löst die Gattung aus dem epischen Ge-
samtkunstwerk des Altarbildes los. Auf seinem
berühmten Grenter Altar ist das Bildnis noch
gebunden. Stifter und Stifterin knieen im Gebet
vor ihren Schutzpatronen. Das Bildnis des Kanz-
lers Rolin im Louvre und das herrliche kleine
Mönchsbildnis im Berliner Museum sind in die
ideale Sphäre der Legende gerückt. Rolin kniet
in einem herrlichen Turmgemach vor der thro-
nenden Madonna, und hinter ihnen öffnet sich
der Altan auf die grossartigste Landschaft, die
je gemalt wurde. Auf dem Berliner Bilde be-
sucht ein Karthäusermönch die Jungfrau in ihrem
himmlischen Schloss. Die heilige Barbara, seine
Schutzpatronin, stellt den Knieenden der Him-
melskönigin vor, die mit dem Christkind auf dem
Arme gerade auf den Altan heraustritt. Durch
die grauen Bogen lacht Wieder eine herrliche
Landschaft herauf. Feierlich stehen auf dem
Londoner Bildnis des Arnolfini, des Agenten der
Medici in den Niederlanden, Braut und Bräuti-
Lichtwark, Arbeitsfeld d. Dilettantismus. 6