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theile des guten Stils, hiemit überhaupt nicht motivirt, hiemit ver-
werflich ist. Wieder möchte man fragen, warum Stil schlechthin
der Manier gegenüber nur in gutem, Manier dem Stil gegenüber
nur in schlechtem Sinne gebraucht wird, da doch die lland dem
Herzen und der Seele des Künstlers näher liegt, als der Griffel.
Mögen sich andre an der Aufklärung hieven versuchen.
Nachdem wir den laegrifflichen Erörterungen über die ver-
schiedenen Wendungen des Stilbegriües genug gethan zu haben
glauben, beschäftigen wir uns fernerhin mit der Sache des Stils
im engeren Sinne oder des guten Stils, wobei auf Manches in frü-
heren Abschnitten (namentlich XIII. XXII) beiläufig oder kurz Be-
sproehene eingehender wird zurückzukommen sein.
Der durch einen guten Stil zu erreichende Vortheil hat zwei
Seiten. Einmal liegt er in der Klarheit, Deutlichkeit, Bestimmt-
heit, Leichtigkeit, Unmittelbarkeit, prägnanten Kürze und Schärfe,
kurz formalen Angemessenheit, womit uns der Sinn oder ide-
elle Gehalt eines Werkes zum Bewusstsein gebraeht wird, zwei-
tens in einer Wohlgefäilligkirit der Form, die abgesehen von sach-
licher wie formaler Angemessenheit, gefallt, und wonach von ver-
schiedenen gleich angemessenen Darstellungsweisen einer vorge-
gebenen Idee vorzugsweise die zur Geltung zu bringen ist, welche
auch ohne Rücksicht auf diese Angemessenheit am bessten gefällt.
Beide Seiten des Stils haben sich zum grösstmögliehen Vortheil zu
vereinigen.
Man mag mit viel Einschachtelungen etwas so richtig sagen
können, als in klar auseinandergehaltenen Sätzen; aber es ist von
erster Seite her mehr Stil in letzter Itedeweise. Viel Sätze hintli"
einander mit demselben Worte anfangen oder schliessen, schadet
weder der Richtigkeit noch Deutlichkeit, aber es ist von zweiter
Seite her wider den Stil.
In einem Bilde kann die Hauptfigur ganz richtig dargestellt
sein, aber so in den Hintergrund oder zur Seite geschoben, und
so wenig beleuchtet, dass sie nicht als Hauptfigur erscheint. Es ist
von erster Seite her ein Fehler gegen den Stil. Unter den ver-
sehiedenen Weisen, wie ein Gewand fallen kann, gefällt uns, gleich
viel aus welchem Grunde, die eine Weise besser als die andere.
Der Stil verlangt von zweiter Seite, dass wir die wohlgefälligere
vorziehen, insofern sie nicht der sachlichen Angemessenheit zu
stark widerspricht; denn in der Darstellung einer liederlichen Per-