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moderner Empfindung, die ich selbst an eine Darstellung moderner Verhält-
nisse machen würde, nicht befriedigt; man muss sich damit rein in die
alte Zeit und Anschauungswcise versetzen; das Jordansche Epos hingegen
befriedigt solche Ansprüche, indem man sich dadurch mit s e i n er m oder-
nen Empfindung selbst in die alte Zeit versetzt findet, in so weit nicht
das Gefühl verletzter Wahrheit Einspruch erhebt. In der Emplindung Man-
cher aber überwiegt diese Befriedigung alle Nachthcilc aus letzterem Gcsichisw
puncte und lässt sie nicht zur Geltung kommen, indess es bei mir umgekehrt
ist. Nun aber meine ich, dass, wenn ich hierin , wie ich glauben muss, zu
einseitiggestimmt und damit nicht gerecht genug gegen den Dichter bin, die
gegentheilige Bewunderung, welche jenen Nachtheilcn keine Rechnung trägt,
es nicht minder ist.
XXV.
folgenden
Vorbetrachtung zu den drei
Abschnitten.
Wir haben S. 57 das Stilisiren, Idealisiren und Symbolisiren
als die vornehmsten Mittel bezeichnet, wodurch sich die Kunst
über die blosse Naturnachahmung erhebt und ihre höheren Ver-
theile erreicht. Beim Gebrauche dieser Worte und der zu Grunde
liegenden Begriffe tritt uns nun freilich (lerselhe Uehelstand ent-
gegen, dem wir auch sonst überall im Felde der Allgemeinbegriße
begegnen, dass sie nicht überall in gleichem Sinn und gleicher
Weite gebraucht noch überall klar auseinandergehalten werden.
Und so wird sich das Folgende nicht minder auf ihren sprachlichen
als sachlichen Gebrauch beziehen.
Schade freilich, dass wir uns überhaupt mit Erörterungen
über ersteren heruinzuschlagen haben. Die sachlichen Erörterungen
würden viel leichter und einfacher werden, wenn wir für die
manniclifachen begrifflichen Wendungen und Weiten jener Begriffe,
die unter dieselbe Wortbezeic-hnung treten, eben so viel, nach einem
festen Sprachgebrauche unterschiedene und verständliche, Worte
hätten, womit wir in die Betrachtung eingehen könnten. Aber es
ist nicht der Fall, und so müssen wir wohl mitjenen Worten haus-
halten und zur Verhütung begriff licher Verwirrung die sachlichen
Erörterungen durch sprachliche einleiten und ergänzen.
lm XXII. Abschnitte ist der betreffenden Begriffe wesentlich
nur in Beziehung auf die bildende Kunst gedacht; fassen wir fol-
gends dieselben in ihrer allgemeinem Bedeutung für die Kunst,
wenn auch mit vorzugsweiser Bedeutung für die bildende Kunst,
ins Auge.
1111er,
Vorschule d.
Aestheiik.