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zu erzielen, so würde ihm dasselbe begegnen, was dem Besehauer
begegnet, wenn er seine Aufmerksamkeit zu sehr auf das Detail
richtet; er würde verlernen, die höheren, auf der (loinposition des
Ganzen ruhenden, Vortheile recht iin Auge zu behalten. Ja, es
würde ihm so zu sagen mit der ganzen Kunst begegnen, was dem
Gerhard Dow nach Sandrarls Beriehtel") mit den Personen, die er
nialenwollte, begegnete : ndurch seine Langsamkeit benahm er den
Leuten zu sitzen alle Lust, so dass sie ihre selbst lieblichen Phy-
siognomieen verstellt und aus Ueberdrnss ganz geändert, worlureh
dann seine Conterfeite auch verdriesslich, sehwermüthig und un-
freundlich wurden, und das wahre Leben, welches der Maler und
Künstler höchst nöthiges Stück ist, nicht vorgestellm
ln Kuglers Museum (4835. 384) ist der Malweise eines holländischen
Künstlers, Schelfout, in Landschaftsbildern als Seitenstüek zu G. Dow's Mal-
weise in Genrebildern wie folgt gedacht:
nJOdCS Beiwerk zeugt von gleicher Vollendung; man kann den Vorder-
grund wie die Ferne durchs Vergrösserungsglzis betrachten; man sieht das
Gras wachsen am Rande des Rahmens. Jedes gebrochene Stück Eis [in den
Winterlanilschaften] gleicht einem geschliffenen Diamanten, auf den der
Sonne Strahlen fallen. Es ist bekannt, dass Gerard Dow drei Tage an einem
Besenstiel malte; ich möchte wetten, dass ein solches zerbrochene Stiick Eis,
wie man es auf Schelfouts Vordergrund sieht, nicht weniger Zeit gekostet
hat; es ist Mieris Schule, angewandt auf Wälder und Kanäle. Solche Erzeug-
nisse lieben die Ilolländer, und darum ist Schelfout ihr Maler par execllence.
Das Mikroskop in der l-Iarfd , die Füsso am Kohlcnheerde wärmend, bewun-
dern sie stundenlang und unbeweglich die unendliche Welt seiner Grashalme,
glücklich, wenn sie zufällig eine Heuschrecke oder Fliege darin entdecken,
die sie anfangs nicht bemerkt 1131381144
Der Beurtheiler warnt aber auch den talentvollen Künstler. vaut diesem
beklagenswerthen Wegen weiter zu gehen, vielmehr möge er sich nvün dieser
trostlosen Vollkommenheit heilen u: indem er Bilder von l-lohbema oder von
Ruysdael ins Auge fasse, sehe, wie letzterer vaui die Leinewand die grossen
Elfecte des Ganzen und die Physiognomie jeder Hauptgruppe zaubert, so dass
wir Alles mit einem Blicke umfassen, obne dass das Auge irgendwie auf ein
Hinderniss des Hauptelfects stiesse, indess doch auch das Detail bei ihm mit
Meisterhand versorgt seiß
Der Nachthcil zu weitgehender Ausführung kann aber in ge-
wissen Fällen wichtiger sein als in andern; am wichtigsten da, wo
das Gewicht auf dem allgemeinen Haupteindruck liegt, was wieder
von dem Gewichte der darzustellenden Idee abhängt; daher eben
die grössere Vernachlässigung des Details in Gemälden von histo-
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