XXIII.
Schönheit und Charakteristik.
In analoger Weise als der Streit zwischen Idealismus und
Realismus dürfte sich der, nicht damit zusammenfallende aber sich
damit verflechtende, Streit zugleich klären und erledigen, ob die
Kunst mehr auf Schönheit oder Charakteristik zu gehen habe, und
wiefern das Charakteristische selbst zum Schönen zu rechnen sei.
Charakteristisch nennen wir überhaupt die Darstellung
eines Gegenstandes, insofern sie die Momente, die ihn von andern
unterscheiden, wahr und deutlich, doch ohne Uebertreibung, zur
Geltung bringt, denn durch Uebertreihung wird die Charakteristik
zur Caricatur.
Eine gelungene Charakteristik gewahrt zwei wichtige ästhe-
tische Vortheile, einmal, dass sie durch Erfüllung der Wahrheits-
foderung direct zum unmittelbaren Gefallen an einem Werke bei-
trägt, zweitens, dass sie der Monotomie entgegenwirkt, welche um
so leichter Platz greift, je mehr unterscheidende Züge der Gegen-
stände weggelassen und diese durch Beduction auf einen allge-
meinen Typus einander verähnlicht werden.
Insofern nun schön im weitsten Sinne heisst, was un-
mittelbar Gefallen weckt, eine gelungene Charakteristik aber
hiezu beitragen kann, wird sie auch zwar nicht als Schönheit
schlechthin, aber zu den Schönheitsbedingungen zu rechnen sein,
was nicht hindert, dass sie in Conflict mit andern Bedingungen
treten kann. Ist ein Gegenstand an sich selbst hässlich, so muss
er, um charakteristisch dargestellt zu werden, auch als hässlich
dargestellt werden; und dann kann uns die Darstellung zwar
durch ihre Wahrheit gefallen, aber durch ihren Gegenstand miss-
fallen. Und so kann die Charakteristik überhaupt zwar nicht der
Schönheit einer Darstellung im weitsten Sinne, in deren Be-
dingungen sie vielmehr mit eingeht, aber den Bedingungen, die
ausser ihr zur Schönheit beitragen, gegenübergestellt werden. Da
man nun für die Schönheit abgesehen von Charakteristik eben auch
kein anderes Wort als Schönheit hat, so kommt hiedurch die Ge-
genüberstellung der Charakteristik gegen die Schönheit in einem
engern Sinne derselben, der die Charakteristik davon absondert,
zu Stande. Ob man aber nach dem weilern Sinne der Schönheit
die Charakteristik unter deren Bedingungen mit einrechnen oder