Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

Sie wird in der Detailausführung eines Gemäldes von der Natur- 
wahrheit nachlassen dürfen; aber nur so, dass der naturwahrc 
Ges a m mteindruck dadurch vielmehr gewinntals verliert. Sie wird 
von einer Scene jede Zufälligkeit absondern dürfen, welche die 
Auffassung des Gehaltes der Scene, um den es uns zu thun ist, 
stört, alle Gestalten so stellen und gruppiren dürfen, dass wir uns 
des Sinnes der ganzen Scene leichter als in der Wirklichkeit be- 
mächtigen können, aber es doch nicht anders dürfen, als es die 
Wirklichkeit selbst thut, wenn sie uns einmal etwas recht klar 
und deutlich vor Augen stellt; nur dass die Kunst das, was die 
Natur blos ausnahmsweise bald" blos nach dieser, bald nach jener 
Seite thut, als Regel nach allen Seiten zugleich thut und doch nicht 
weiter thut, als es die Natur im günstigsten Falle auch vermöchte. 
Mit all' dem freilich wird die Kunst, wenn sie Gott oder als 
göttlich gedachte Persönlichkeiten u. s. w. darstellen will, weit 
hinter der Idee zurückbleiben und dadurch in relativen Nachtheil 
Kunstwerken gegenüber gerathen, welche einer an sich niedrigeren 
ldee vollständiger mit naturwahrer Darstellung gerecht zu wer- 
den vermögen. Gewiss ist, dass der Eindruck des eigenthümlichen 
Genügens, welchen die bessten realistischen Darstellungen von 
Gegenständen und Scenen, die noch ganz ins Gebiet der Wirklich- 
keit gehören, in dieser Hinsicht machen, von idealistischen Dar- 
stellungen, welche sich mit überwirklichen Gegenständen befassen, 
nicht erreicht werden kann. Wogegen realistische Darstellungen 
von menschlich noch so sehr interessirenden Scenen mit ihrem 
Anschlusse an die Naturwahrheit die Tragweite und Höhe des 
Eindruckes nicht erreichen können, welchen die bessten idea- 
listischen machen, und keiner gleichen Durchbildung der Schön- 
heit im Einzelnen Raum geben; was nicht hindert, dass manches 
kleine Genrebild einem grossen religiös-historischen Gemälde aus 
obigem Gesichtspuncte in der Schätzung den Bang abläuft. Ja 
könnten die Gegenstände religiöser Andacht adäquat dargestellt 
werden, Wer möchte ein Genrebild dagegen hoch schätzen; aber 
der ungeheure Nachtheil, in dem das religiöse Bild in Betreff der 
Möglichkeit wahrer Darstellung seines Gegenstandes gegen das 
Genrebild steht, compensirt in gewissem Sinne den ungeheuren 
Vortheil, in dem es gegen dasselbe durch den Werth der darge- 
stellten Idee steht. Da nun die Kunst in derselben Richtung nicht 
alle Vortheile zu vereinigen vermag, muss man ihr gestatten, sie
	        
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