Sie wird in der Detailausführung eines Gemäldes von der Natur-
wahrheit nachlassen dürfen; aber nur so, dass der naturwahrc
Ges a m mteindruck dadurch vielmehr gewinntals verliert. Sie wird
von einer Scene jede Zufälligkeit absondern dürfen, welche die
Auffassung des Gehaltes der Scene, um den es uns zu thun ist,
stört, alle Gestalten so stellen und gruppiren dürfen, dass wir uns
des Sinnes der ganzen Scene leichter als in der Wirklichkeit be-
mächtigen können, aber es doch nicht anders dürfen, als es die
Wirklichkeit selbst thut, wenn sie uns einmal etwas recht klar
und deutlich vor Augen stellt; nur dass die Kunst das, was die
Natur blos ausnahmsweise bald" blos nach dieser, bald nach jener
Seite thut, als Regel nach allen Seiten zugleich thut und doch nicht
weiter thut, als es die Natur im günstigsten Falle auch vermöchte.
Mit all' dem freilich wird die Kunst, wenn sie Gott oder als
göttlich gedachte Persönlichkeiten u. s. w. darstellen will, weit
hinter der Idee zurückbleiben und dadurch in relativen Nachtheil
Kunstwerken gegenüber gerathen, welche einer an sich niedrigeren
ldee vollständiger mit naturwahrer Darstellung gerecht zu wer-
den vermögen. Gewiss ist, dass der Eindruck des eigenthümlichen
Genügens, welchen die bessten realistischen Darstellungen von
Gegenständen und Scenen, die noch ganz ins Gebiet der Wirklich-
keit gehören, in dieser Hinsicht machen, von idealistischen Dar-
stellungen, welche sich mit überwirklichen Gegenständen befassen,
nicht erreicht werden kann. Wogegen realistische Darstellungen
von menschlich noch so sehr interessirenden Scenen mit ihrem
Anschlusse an die Naturwahrheit die Tragweite und Höhe des
Eindruckes nicht erreichen können, welchen die bessten idea-
listischen machen, und keiner gleichen Durchbildung der Schön-
heit im Einzelnen Raum geben; was nicht hindert, dass manches
kleine Genrebild einem grossen religiös-historischen Gemälde aus
obigem Gesichtspuncte in der Schätzung den Bang abläuft. Ja
könnten die Gegenstände religiöser Andacht adäquat dargestellt
werden, Wer möchte ein Genrebild dagegen hoch schätzen; aber
der ungeheure Nachtheil, in dem das religiöse Bild in Betreff der
Möglichkeit wahrer Darstellung seines Gegenstandes gegen das
Genrebild steht, compensirt in gewissem Sinne den ungeheuren
Vortheil, in dem es gegen dasselbe durch den Werth der darge-
stellten Idee steht. Da nun die Kunst in derselben Richtung nicht
alle Vortheile zu vereinigen vermag, muss man ihr gestatten, sie