Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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schluss an die Natur aufgieht, in eine höhere, reinere, klarere 
Welt erheben, als die gemeine Wirklichkeit, in eine Welt, worin 
das Wesen, die Idee, die reine Natur der Dinge, die in der Wirk- 
lichkeit nur getrübt, gestört, verworren, unvollkommen oder gar 
nicht sichtbar ausgeprägt erscheint und Seitens der Wissenschaft 
nur der verstandesmässigen Einsicht unterliegt, uns unmittelbar 
anschaulich entgegenleuchtet, in einer Form entgegenleuehtet, 
welche den Geist leicht anspricht, zu wohlthuender Bethätiguug 
anregt und unmittelbar mit Lust erfüllt. Damit gewinnen wir auf 
Kosten der Naturwahrheit, was man höhere Wahrheit nennen kann 
und nennt. Nur bedarf eine solche Zusammenfassung der ganzen 
höheren Leistung der Kunst in wenig Worte noch einer genauem 
Auslegung und Ausbreitung des Allgemeinen in das darunter be- 
fasste Besondere. Beschränken wir uns auf die Hauptpuncte in 
dieser Hinsicht. 
Die Natur bietet uns Vieles, was durch ursächliche, teleolo- 
gische, ethische, gemüthliche, begriffliche, kurz ideelle Bezie- 
hungen irgend welcher Art verknüpft ist, so in Zeit und Baum 
auseinanderliegend oder soidurch andere Gegenstände verdeckt 
oder durch Zufälligkeiten und Nebendinge gestört dar, dass diese 
Beziehungen sich in der Anschauung nicht leicht noch rein, wenn 
überhaupt geltend machen können. Insofern es aber ein Interesse 
oder einen Werth für die Menschen haben kann, sich dieser Bezie- 
hungen der Wirklichkeit geistig zu bemächtigen, kann die Kunst 
dadurch, dass sie die Gegenstände der Wirklichkeit in demgemäss 
abgeänderter Weise zusammenstellt, zusammenzieht, von Hinder- 
nissen der Anschauung, störenden Zufälligkeiten, unwesentlichen 
Nebendingen und unwichtigen Details frei darbietet, jenem Be- 
dürfnisse entgegenkommen. 
Die Kunst kann ferner dadurch, dass sie Dinge der Wirklich- 
keit vielmehr so darstellt, wie wir wünschen möchten, dass sie 
wären oder wie sie sein sollten, als wie sie wirklich sind, uns 
Musterhilder vor Augen stellen, deren Betrachtung uns theils an 
sich Genuss gewährt, theils unsern Sinn veredelt und unser 
Streben in gutem Sinne richtet; -von andrer Seite dadurch, dass 
sie das Böse der Gerechtigkeit anheimfallend, unverschuldetes Leid 
sich versöhnend darstellt, unserer Ansicht von einer guten und ge- 
rechten Weltordnung dienen.  
Die Kunst kann endlich dadurch, dass sie Gegenstände, die
	        
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