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schluss an die Natur aufgieht, in eine höhere, reinere, klarere
Welt erheben, als die gemeine Wirklichkeit, in eine Welt, worin
das Wesen, die Idee, die reine Natur der Dinge, die in der Wirk-
lichkeit nur getrübt, gestört, verworren, unvollkommen oder gar
nicht sichtbar ausgeprägt erscheint und Seitens der Wissenschaft
nur der verstandesmässigen Einsicht unterliegt, uns unmittelbar
anschaulich entgegenleuchtet, in einer Form entgegenleuehtet,
welche den Geist leicht anspricht, zu wohlthuender Bethätiguug
anregt und unmittelbar mit Lust erfüllt. Damit gewinnen wir auf
Kosten der Naturwahrheit, was man höhere Wahrheit nennen kann
und nennt. Nur bedarf eine solche Zusammenfassung der ganzen
höheren Leistung der Kunst in wenig Worte noch einer genauem
Auslegung und Ausbreitung des Allgemeinen in das darunter be-
fasste Besondere. Beschränken wir uns auf die Hauptpuncte in
dieser Hinsicht.
Die Natur bietet uns Vieles, was durch ursächliche, teleolo-
gische, ethische, gemüthliche, begriffliche, kurz ideelle Bezie-
hungen irgend welcher Art verknüpft ist, so in Zeit und Baum
auseinanderliegend oder soidurch andere Gegenstände verdeckt
oder durch Zufälligkeiten und Nebendinge gestört dar, dass diese
Beziehungen sich in der Anschauung nicht leicht noch rein, wenn
überhaupt geltend machen können. Insofern es aber ein Interesse
oder einen Werth für die Menschen haben kann, sich dieser Bezie-
hungen der Wirklichkeit geistig zu bemächtigen, kann die Kunst
dadurch, dass sie die Gegenstände der Wirklichkeit in demgemäss
abgeänderter Weise zusammenstellt, zusammenzieht, von Hinder-
nissen der Anschauung, störenden Zufälligkeiten, unwesentlichen
Nebendingen und unwichtigen Details frei darbietet, jenem Be-
dürfnisse entgegenkommen.
Die Kunst kann ferner dadurch, dass sie Dinge der Wirklich-
keit vielmehr so darstellt, wie wir wünschen möchten, dass sie
wären oder wie sie sein sollten, als wie sie wirklich sind, uns
Musterhilder vor Augen stellen, deren Betrachtung uns theils an
sich Genuss gewährt, theils unsern Sinn veredelt und unser
Streben in gutem Sinne richtet; -von andrer Seite dadurch, dass
sie das Böse der Gerechtigkeit anheimfallend, unverschuldetes Leid
sich versöhnend darstellt, unserer Ansicht von einer guten und ge-
rechten Weltordnung dienen.
Die Kunst kann endlich dadurch, dass sie Gegenstände, die